London/Brüssel (Reuters) - EU-kritische populistische Parteien steuern in Großbritannien und den Niederlanden am ersten Tag der Europawahl auf Stimmengewinne zu.
Die Brexit-Partei des Europaabgeordneten Nigel Farage dürfte laut Umfragen mit 34 Prozent im Vereinigten Königreich als erfolgreichste Partei aus den Wahlen hervorgehen, während die Tory-Partei von Premierministerin Theresa May mit zwölf Prozent abgeschlagen auf dem vierten Platz gesehen wird. In den Niederlanden steht der nationalistische Politikneuling Thierry Baudet davor, aus dem Stand 15 Prozent zu erreichen - soviel wie die liberale Partei von Ministerpräsident Mark Rutte. Ein Sprecher der Brüssler EU-Kommission äußerte sich nicht zu den Prognosen und sagte am Donnerstag lediglich zum Wahlbeginn: "Das ist der Moment für die Leute."
Wahlergebnise aus den ersten beiden der insgesamt 28 EU-Länder wird es am Abend nicht geben. Die offiziellen Wahlresultate dürfen erst am Sonntagabend bekanntgegeben werden, wenn auch in allen anderen EU-Ländern die Wahlen abgeschlossen sind.
In Großbritannien sollte die Wahl eigentlich nicht stattfinden. Wegen der Verschiebung des Brexits vom 29. März auf Ende Oktober muss der Urnengang aber doch durchgeführt werden. Premierministerin Theresa May steckt mit ihrem Plan für eine gütliche Scheidung von der EU fest. Medien zufolge bereitet sie den Rücktritt vor.
In den vier Tagen der Europawahl sind insgesamt 430 Millionen Europäer zur Wahl von 751 Abgeordneten im EU-Parlament aufgerufen. Vom Ausgang hängt die Neubesetzung von EU-Spitzenjobs ab. Für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bewirbt sich Manfred Weber (CSU), Chef der Konservativen EVP im Abgeordnetenhaus.
Nach Aussagen von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer muss einer der Spitzenkandidaten der großen europäischen Parteienfamilien die Leitung der Brüsseler Behörde übernehmen. Deshalb laufe die Wahl auf Weber oder Frans Timmermans (SPE) hinaus, sagte sie im WDR-Europaforum. "Natürlich könnte ich mir auch gut eine Frau an der Spitze der Kommission vorstellen." Außenminister Heiko Maas (SPD) betonte dort, dass über den neuen Mann oder die neue Frau am Ende das Parlament mit der nötigen Mehrheit entscheide.
Im Herbst werden in der EU so viele Spitzen-Jobs frei wie schon lange nicht. Neben einem neuen Kommissions-Chef ist auch die Leitung des Rats - der Vertretung der Mitgliedsländer (derzeit Donald Tusk) -, des Parlaments (Antonio Tajani), der Europäischen Zentralbank (Mario Draghi) und des diplomatischen Dienstes (Federica Mogherini) zu vergeben.