BERLIN (dpa-AFX) - An jedem fünften Hauptbahnhof in Deutschland wird gebaut. "Aktuell sind an rund einem Fünftel der Hauptbahnhöfe Modernisierungen zugange; sie reichen vom Austausch eines Aufzugs bis hin zu umfassenden Baumaßnahmen", teilte eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Insgesamt betreibt die Bahn 5.400 Bahnhöfe, davon 134 Hauptbahnhöfe.
Häufig durchströmen diese Bahnhöfe täglich Hunderttausende - sie müssen dann zum Teil mehrere Jahre mit den Bauarbeiten leben. Lange Fußwege, laute Bauarbeiten, unübersichtliche Wege oder ungemütliche Zwischen-Bauten sind die Folge.
In Stuttgart leben die Bahnfahrenden beispielsweise schon seit mehr als zehn Jahren mit der Mega-Baustelle Stuttgart 21 mitten in der Stadt - einem Projekt, das weit mehr als den Hauptbahnhof betrifft. Eine Auswahl der größten Bahnhofs-Vorhaben in Deutschland.
In München kostet allein der Interimsbahnhof 20 Millionen Euro
Am Münchner Hauptbahnhof gibt es mehrere Baustellen. Das Bahnhofsgebäude werde seit 2019 um- und in großen Teilen neu gebaut, heißt es bei der Bahn. Im Untergrund soll ein neuer S-Bahnhof für die zweite Stammstrecke entstehen - zudem Vorarbeiten für einen U-Bahnhof für eine mögliche zusätzliche U-Bahn-Linie; hier wird seit 2019 gegraben. Nächstes Jahr startet eine weitere Baustelle am nördlichen Flügelbahnhof, der neu gebaut werden soll - inklusive eines 17-stöckigen Hochhauses.
Wenn alles gut geht, werden die letzten Arbeiten Mitte des nächsten Jahrzehnts abgeschlossen sein. Ursprünglich war Ende 2028 vorgesehen, aber weil sich das Projekt zur zweiten Stammstrecke verzögert hat, ist auch die Fertigstellung des neuen S-Bahnhofs und des Hauptgebäudes nach hinten gerückt. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, baut die Bahn unter anderem auf dem südlichen Bahnhofsvorplatz einen eigenen mehrstöckigen Übergangsbahnhof, der zehn Jahre lang als Ersatz dienen soll. Allein diese Maßnahme kostet 20 Millionen Euro. Im Vergleich zum Rest ist das eher wenig. Für Hauptgebäude und Flügelbahnhof nennt die Bahn jeweils dreistellige Millionenbeträge.
Ein neuer Tiefbahnhof in Frankfurt soll den Fernverkehr pünktlicher machen
Bis zu einer halben Million Menschen durchströmen den Frankfurter Hauptbahnhof täglich. Für sie spürbar sind derzeit vor allem die Umbauten im ersten Untergeschoss, der B-Ebene - ein ehemals mit dunklen Ecken gespickter Bereich. Entstehen soll eine helle Passage mit Läden und Cafés. Rund 1,2 Milliarden Euro fließen in insgesamt 17 Maßnahmen, die der "Masterplan Frankfurt Hauptbahnhof" vorsieht. Das bedeutet Baustelle nach Baustelle in dem 1888 eröffneten Gebäude. Unter anderem soll in der großen Eingangshalle ein Atrium entstehen, das Blick und Weg frei machen soll zur neuen Ladenpassage darunter. Erste Vorarbeiten sind für kommendes Jahr geplant, die Fertigstellung für das Jahr 2030.
Mit seiner zentralen Lage gilt der Frankfurter Hauptbahnhof als einer der wichtigsten Knoten im Netz der Deutschen Bahn. Doch das Wenden in dem Kopfbahnhof ist aufwendig und wird für Verspätungen verantwortlich gemacht, die sich bundesweit auswirken. Helfen soll ein Mammutprojekt mit bisher geschätzten Kosten von mehr als 3,5 Milliarden Euro: Ein Tunnel und ein neuer Tiefbahnhof für den Fernverkehr - das bedeutet eine weitere Baustelle im Süden des Hauptbahnhofs in den 30er Jahren.
Rolltreppen-Ärger in Hannover
Vom Nadelöhr zum Drehkreuz: Die Deutsche Bahn will den Hauptbahnhof Hannover als einen der wichtigsten Knotenpunkte ihres Schienennetzes mit rund zwei Milliarden Euro ausbauen und sanieren. Geplant sind zwei neue Gleise, ein zusätzlicher Bahnsteig und ein digitales Stellwerk. Zudem sollen vorhandene Bahnsteige, Bahnsteigdächer, Aufzüge und Rolltreppen erneuert werden - ein Mammutprojekt. Denn hinzu kommen auch noch 50 zu sanierende Brücken, auf denen der Bahnhof steht. Die Arbeiten sollen voraussichtlich bis Mitte der 2030er Jahre dauern.
Einschränkungen machen sich seit einigen Monaten bemerkbar. Zum Ärger vieler der rund 140.000 Reisenden pro Tag sind derzeit zwei Rolltreppen nicht nutzbar, weil die altersschwachen Modelle ausgetauscht werden. Zum Teil sollen sie erst im kommenden Jahr wieder wie gewohnt fahren. Dann sind die nächsten Rolltreppen dran.
In Hamburg gibt es noch ein anderes Großprojekt
Mit dem Ausbau des Eisenbahnknotens Hamburg sind mehrere Großprojekte verbunden. Der Hauptbahnhof soll ab 2028 um- und ausgebaut werden. Unter anderem sollen zwei Anbauten mehr Platz für die rund 550.000 Menschen schaffen, die täglich den Bahnhof nutzen. Die Kosten bezifferte der Planer auf mindestens eine halbe Milliarde Euro.
Auf etwa die gleiche Summe veranschlagt die DB die Kosten für die Verlegung des Bahnhofs Altona. Bislang ist er ein Kopfbahnhof, wo Züge zeitraubend die Richtung wechseln müssen. Etwa zwei Kilometer weiter nördlich, am bisherigen S-Bahnhof Diebsteich, wird seit Juli 2021 gebaut. Ein Durchgangsbahnhof mit vier Bahnsteigen soll entstehen, einer davon für die S-Bahn. Er soll 2027 in Betrieb genommen werden.
Das Bahnhofsprojekt wird durch ein weiteres Vorhaben noch komplizierter. Der neue Bahnhof Altona soll über einen S-Bahntunnel an den Hauptbahnhof angeschlossen werden. Dafür müssten unter dem neuen Bahnhof vier Gleise für die S-Bahn gebaut werden. Erneuert werden müssen auch die Hamburger Elbbrücken, neben Lauenburg in Schleswig-Holstein die einzige Schienenquerung des Flusses in Norddeutschland. Zurzeit fahren täglich bis zu 1.000 Züge über die Brücken.
In Duisburg warten die Fahrgäste auf das Licht am Ende der Baustelle
Am Duisburger Hauptbahnhof wird die gesamte Gleishalle samt Dach umgebaut. Auch die Bahnsteige sollen grunderneuert werden. Durch das neue Dach aus Stahlträgern und großen Glaselementen soll künftig tagsüber ausreichend natürliches Tageslicht scheinen, sodass keine künstliche Beleuchtung notwendig ist.
Die Bauarbeiten hierzu finden seit Sommer 2022 parallel zum laufenden Betrieb statt, wodurch es für die täglich 61.000 Reisenden zu Einschränkungen kommt. Die Baustelle wandert schrittweise durch die Gleishalle. Bis 2028 soll der Umbau abgeschlossen sein.
Fahrgastverband: "Man braucht eine Zukunftsperspektive"
Die Bahn begründet die oft sehr langen Bauzeiten damit, dass unter dem "rollenden Rad" gebaut werde - der Bahnbetrieb an den Bahnhöfen also weiterläuft. "Ein Hauptbahnhof oder wichtiger Knoten kann nur in Ausnahmefällen gesperrt werden", sagt eine Sprecherin. Dies sei eine besondere Herausforderung unter anderem für Logistik, Fahrgastinformation und Bausicherheit. An und in den teils unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden muss stets in einzelnen Abschnitten gebaut werden, wobei die Sicherheit nicht eingeschränkt werden darf.
Hinzu komme, dass Hauptbahnhöfe mitten in den Städten lägen und somit oft von städtischem Eigentum umgeben seien, sagt die Sprecherin. "An manchen Stationen wie beispielsweise am Berliner Hauptbahnhof endet das Bahngrundstück exakt an der Ausgangstür. Oft grenzen Einkaufsmeilen wie in Dresden oder Hannover an den Bahnhof an." Zudem gebe es Gebäude, wo das Empfangsgebäude nicht mehr DB-Eigentum sei.
Einer, der all diese Argumente kennt, ist Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands ProBahn. Er hält vor allem die Kommunikation der Bahn für kritikwürdig. "Wenn es Probleme gibt, muss man die erläutern", sagt Naumann über mögliche Verzögerungen. "Man braucht eine Zukunftsperspektive. Wenn ich weiß, dass es schöner werden soll, bin ich durchaus gewillt, mal zwei Jahre durchzuhalten.