- von Andrew Cawthorne und Dion Rabouin
Caracas/New York (Reuters) - Im Kampf gegen die drohende Staatspleite gerät Venezuela immer stärker unter Zugzwang. Erste Gespräche mit den Gläubigern über eine Umschuldung im Volumen von rund 60 Milliarden Dollar brachten kein greifbares Ergebnis.
Zwar wertete die Regierung des sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro den Auftakt als "durchschlagenden Erfolg". Sie legte aber keine Vorschläge vor, unter welchen Bedingungen die Investoren ihr Geld zurückbekommen sollen. "Es gab kein Angebot, keine Konditionen, keine Strategie, nichts", sagte ein Geldgeber. Die US-Ratingagentur S&P erklärte für das Land einen punktuellen Zahlungsausfall (Selective Default), da es zuletzt fällige Zinszahlungen über 200 Millionen Dollar bislang nicht geleistet hat.
Zu dem Treffen am Montag in der Hauptstadt Caracas kamen etwa 100 Anleihegläubiger. Sie stammten nach Regierungsangaben aus Venezuela, den USA, Panama, Großbritannien, Kolumbien, Chile, Argentinien und Japan. Maduro hatte angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage angekündigt, Schulden seines Landes nicht wie vereinbart zurückzuzahlen. Stattdessen soll zunächst die Lage der Bevölkerung in dem einst wohlhabenden und ölreichen Land verbessert werden, in dem viele Menschen mittlerweile im Müll nach Nahrungsmitteln suchen.
PATIENT AUF DER INTENSIVSTATION
Teilnehmer äußerten sich nach dem Treffen irritiert. Es sei nicht zu erkennen, wie das Land einen Zahlungsausfall vermeiden wolle. "Es ist nichts Substanzielles geschehen", sagte Anlagestratege Raymond Zucaro vom Vermögensverwalter RVX Asset Management aus Miami. "Der Patient wird immer noch künstlich am Leben gehalten."
Als große Hürde für die angestrebte Umschuldung gelten die von den USA verhängten Sanktionen gegen Venezuela. Sie laufen darauf hinaus, dass das Land keine neuen Anleihen begeben kann. Außerdem gibt es Strafmaßnahmen gegen die beiden venezolanischen Chefverhandler bei den Schuldengesprächen, Vizepräsident Tareck El Aissami und Wirtschaftsminister Simon Zerpa. Ihnen werden von den USA Drogen- und Korruptionsvergehen vorgeworfen.
Chefanalyst Jan Dehn von der Fondsgesellschaft Ashmore Investment Management äußerte die Einschätzung, dass Maduro einen Zahlungsausfall in Kauf nehmen und diesen dann US-Präsident Donald Trump und der heimischen Opposition in die Schuhe schieben werde. "Er lädt alle Anleihegläubiger ein, und dann wird klar, dass sie nicht in der Lage sein werden, eine Umschuldung auszuarbeiten", sagte er.
Der Schuldengipfel dauerte Teilnehmern zufolge nur etwa eine halbe Stunde. Gereicht wurden demnach lediglich bunte Geschenktüten mit Schokolade und Kaffee aus Venezuela. Die Investoren wurden über einen roten Teppich zum Verhandlungsraum geführt. Dort hing ein Bild des verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez.
Maduro selbst bekräftigte nach dem Treffen die Absicht, alle Verbindlichkeiten verlässlich zu erfüllen. In den vergangenen drei Jahren habe die Regierung mehr als 73 Milliarden Dollar an Auslandsschulden beglichen. Den Ratingagenturen warf Maduro vor, das Land zu hart zu behandeln und sich damit zu Erfüllungsgehilfen von Trumps Politik zu machen.
Das Opec-Land ist auf Gedeih und Verderb von der Ölproduktion abhängig. In den Jahren des Ölbooms legte Maduros Vorgänger Chavez großzügige Sozialprogramme auf und lieh Milliarden an der Wall Street. Doch dann rauschten ab 2014 die Ölpreise in den Keller. Die Ölindustrie leidet zudem unter einem gewaltigen Investitionsmangel, der die Förderung beeinträchtigt. Venezuela brachen die Einnahmen weg. Es fehlt vielerorts an Nahrungsmitteln und Medikamenten. Hinzu kommt eine extrem hohe Inflation, die nach Angaben der Opposition Ende des Jahres bei 1400 Prozent liegen könnte. Seit der Parlamentswahl 2015 steckt das Land in einer politischen Krise. Zwischen Regierung und Opposition tobt ein erbitterter Machtkampf. Bei Unruhen kamen Dutzende Menschen ums Leben.