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Vergessene Sanktionen? Frankreich importiert immer mehr Flüssigerdgas aus Russland

Veröffentlicht am 06.08.2024, 22:09
Aktualisiert 06.08.2024, 22:35
© Reuters.  Vergessene Sanktionen? Frankreich importiert immer mehr Flüssigerdgas aus Russland
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Neue Analysen von Handelsdaten zeigen, dass sich die Lieferungen des russischen Flüssigerdgases (LNG) nach Frankreich in der ersten Hälfte des Jahres 2024 mehr als verdoppelt haben. Diese Entwicklung betrifft nicht nur Frankreich, sondern auch mehrere andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Eine Analyse ergab, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der ersten Hälfte dieses Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr insgesamt sieben Prozent mehr russisches LNG importiert haben. Der größte Anteil des russischen Flüssigerdgases wurde von französischen Unternehmen importiert.

Gleichzeitig möchte Europa sich von russischen Energieträgern unabhängig machen. Um Russland daran zu hindern, seinen Angriffskrieg in der Ukraine fortzusetzen, hat die EU Ölimporte aus Russland eingeschränkt, die Importe des Flüssigerdgases über den Seeweg sind jedoch nach wie vor erlaubt.

 

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen aus Russland gefährdet

Oleh Savytskyi ist Gründer der gemeinnützigen Organisation Razom We Stand, die sich für strengere Sanktionen gegen russische fossile Brennstoffe einsetzt. Er sagt, dass das Ziel der EU, bis 2027 auf alle russischen fossilen Brennstoffe zu verzichten, „entsetzlich aus der Bahn geraten“ sei. Seiner Meinung nach sabottieren diejenigen Länder, die russisches LNG kaufen, die Energiewende des Kontinents. Außerdem tragen die Milliardenhohen Geldsummen zu Russlands Kriegskasse bei, so Savytskyi.

Die europäischen Regierungen haben erklärt, dass ein vollständiges Verbot russischer Gasimporte die Energie- und Heizkosten in die Höhe treiben würde und dass auch die industriellen Gasverbraucher darunter leiden würden.

Zu dem Ergebnis, dass die LNG-Importe in Europa gestiegen sind, kam zunächst das Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA), eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation, die sich die Beschleunigung des weltweiten Überganges zu einer nachhaltigeren Energieversorgung zum Ziel gesetzt hat. Das IEEFA untersuchte Daten von Kpler, einem Anbieter von Schifffahrtsdaten, und ICIS, einem Anbieter von Rohstoffdaten, die beide auch ihre eigenen Analysen vorlegten.

Nach Angaben von IEEFA haben französische Unternehmen in der ersten Hälfte des Jahres 2024 fast 4,4 Milliarden Kubikmeter russisches LNG importiert, verglichen mit mehr als 2 Milliarden Kubikmetern im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der zweitgrößte Importeur Europas, Spanien verzeichneten einen Anstieg von ein Prozent. Belgien, der drittgrößte Importeur Europas, kaufte aber 16 Prozent weniger Flüssigerdgas aus Russland.

 

Französischer Energieriese importiert am meisten

Der französische Energieriese TotalEnergies (EPA:TTEF), der laut AP zwischen Januar und Juni am meiste LNG aus Russland importierte, erklärte, er sei an Verträge gebunden, die vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine unterzeichnet wurden.

Das französische Finanz- und Wirtschaftsministerium teilte der AP darüber hinaus mit, dass die Angriffe der Houthi-Rebellen auf Schiffe, die durch den Suezkanal fahren, zu einer Umstrukturierung der LNG-Importe geführt haben: Aus dem Nahen Osten kann das Flüssigerdgas nicht mehr problemlos nach Europa gefahren werden, während die russische Arktis-Route nicht beeinträchtigt wurde.

Das Ministerium wies darauf hin, dass Frankreich einer der wichtigsten Einspeisepunkte für LNG in Europa ist. Frankreich und Spanien verfügen über die meisten LNG-Terminals in Europa. Dort gibt es jeweils sieben Terminals.

 

Weniger Flüssigerdgas aus den USA

Zugleich importierte Frankreich weniger LNG von anderen Lieferanten, darunter den USA, Angola, Kamerun, Ägypten und Nigeria. Dieser Rückgang entspricht laut der Analyse etwa dem Anstieg der Importe des russischen Flüssigerdgases. Keiner der LNG-Exporte dieser Länder war von den Angriffen am Roten Meer betroffen.

Die Preisdaten für russisches LNG sind nicht öffentlich. Es wird angenommen, dass es in der Regel mit einem kleinen Rabatt verkauft wird, weil einige Käufer es nicht wollen, sagt Jason Feer, globaler Leiter für Business Intelligence beim Energieberater Poten and Partners.

Das zusätzliche Gas wird jedoch nicht von französischen Haushalten oder der Industrie des Landes genutzt. Die Nachfrage in Frankreich ist in der ersten Hälfte dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig sind Frankreichs Erdgasexporte über Pipelines nach Belgien in den ersten sechs Monaten um fast zehn Prozent gestiegen, so Kpler. Welchen Anteil davon russisches LNG ausmacht, lässt sich nicht sagen. Dennoch würden die Daten zeigen, dass mit diesem Handel Geld gemacht wird, so Feer.

 

TotalEnergies am Russlands LNG-Projekt beteiligt

Russlands größte LNG-Anlage befindet sich auf der Jamal-Halbinsel am Polarkreis. An dem dortigen Joint Venture ist TotalEnergies mit 20 Prozent der Anteile beteiligt. Im Rahmen eines 2018 unterzeichneten Vertrags hat sich Frankreichs Energieriese verpflichtet, jährlich 4 Millionen Tonnen Gas von dort zu beziehen.

TotalEnergies teilte per E-Mail mit, dass das Unternehmen rechtlich verpflichtet sei, seine Verträge einzuhalten, und dies auch tun werde, "solange die europäischen Regierungen russisches Gas für die Versorgungssicherheit der Europäischen Union für notwendig halten".

Nur wenn neue Sanktionen verhängt würden, könnten die Käufe ausgesetzt werden, hieß es in der Anwort des Unternehmens. TotalEnergies gab an, dass seine Importe von russischem LNG nach Europa während des untersuchten Zeitraums zurückgegangen seien.

Ein Sprecher der EU-Kommission, Adalbert Jahnz, erklärte außerdem, dass die Importe des russischen Flüssigerdgases in der EU zwischen 2021 und 2023 erheblich zurückgegangen seien. Ein vorübergehender Anstieg des Volumens "stellt die Errungenschaften der EU in den vergangenen zwei Jahren nicht in Frage", so Jahnz. "Wir haben unsere Importe diversifiziert und der Großteil des benötigten Gases wird von zuverlässigen Partnern wie Norwegen und den USA geliefert."

Savytskyi von Razom We Stand forderte die EU jedoch auf, ein vollständiges Embargo für diesen Rohstoff zu verhängen. TotalEnergies "sollte keinen Freifahrtschein haben, um Europa von russischem Gas abhängig zu machen", sagte er.

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