FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach dem Erreichen neuer Rekordstände blicken Anleger mit gemischten Gefühlen auf die neue Börsenwoche. Angesichts des Monatswechsels stellen sie sich die Frage nach der alten Börsenweisheit "Sell in may and go away" und blicken dabei vor allem skeptisch auf den zweiten Wahlgang in Frankreich. Andererseits wird die am Markt oft zitierte Alternativlosigkeit noch immer als positiver Kurstreiber genannt. In zahlreichen europäischen Märkten, aber auch in China, startet der Mai derweil wegen Feiertagen mit einer verkürzten Handelswoche.
SELL IN MAY EHER UNWAHRSCHEINLICH
Für die Experten von Merck (DE:MRCG) Finck sprechen weder die gute Konjunkturentwicklung noch positive Unternehmenszahlen dafür, dass der Mai seinem Ruf als gefährlicher Börsenmonat gerecht wird. "Treten im Mai keine politischen Horrorszenarien wie ein Wahlsieg Le Pens in Frankreich ein, scheint 'Sell in May and go away' dieses Mal eher nicht angebracht", sagt der Chefstratege der Privatbank, Robert Greil. Aus der ersten Wahlrunde war der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron als großer Favorit hervorgegangen. Die Erleichterung darüber hatte den deutschen Leitindex Dax (DAX) auf ein Rekordhoch von 12 486 Punkten gehievt, bevor die Rally zuletzt wieder abflachte.
Die Stichwahl am 7. Mai dürfte in der kommenden Tagen bereits die Märkte bewegen. Sollte die Rechtspopulistin Marine Le Pen entgegen den Erwartungen gewählt werden, warnt Investmentstratege Lars Edler von der Bank Sal. Oppenheim vor deutlichen Ausschlägen, weil der Markt in diesem Zusammenhang keine ernsthaften politischen Risiken einpreise. Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba verweist denn auch auf eine gewisse Sorglosigkeit der Anleger, die sie an den Marktschwankungen festmacht. Der Vix-Index, der unter Investoren als "Angstbarometer" gilt, liege derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit ungefähr drei Jahren.
FAZIT VON 100 TAGEN TRUMP
Neben den Frankreich-Risiken ziehen die Märkte nun auch eine erste Bilanz der ersten 100 Tage von US-Präsident Donald Trump. "Gemessen an der Entwicklung des S&P 500 hat Trump den erfolgreichsten Start eines republikanischen US-Präsidenten der Nachkriegszeit hingelegt", betont Jördis Hengelbrock, Portfoliomanagerin bei Sal. Oppenheim. Investoren spekulierten dabei auf niedrige Steuern, hohe Investitionen und Deregulierung. Geliefert hat Trump aber nicht allzu viel: Kernpunkte des Wahlkampfes konnte er angesichts massiver Gegenwehr seitens seiner eigenen Partei nicht umsetzen. Trotz erster Eckpunkte fehlt es dem Markt auch in puncto Steuerfragen noch immer an wichtigen Details.
"Auf der Habenseite von Trump steht eindeutig ein Stimmungsaufschwung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten", sagt aber NordLB-Analyst Bernd Krampen. "Die Finanzmärkte werden in der Berichtswoche die Einkaufsmanagerindizes ebenso wie die Arbeitsmarktdaten daraufhin untersuchen, ob das auch für die Konjunktur gilt", blickt Helaba-Expertin Windt voraus. Der ISM-Index für die US-Industrie steht schon am Montag auf der Agenda. Beim großen Arbeitsmarktbericht aus den USA für April rechnet die Deka-Bank zu Wochenschluss mit einem positiven Bild. Konkret prognostiziert sie einen Beschäftigungszuwachs von über 200 000 Stellen.
Auch das Thema Notenbanken wird die Märkte vorerst weiter beschäftigen. Die US-Notenbank entscheidet am Mittwoch das nächste Mal über ihren Leitzins. Das Bankhaus Metzler rechnet damit, dass die Währungshüter zwar noch keinen weiteren Zinsschritt nach oben beschließen. Chefvolkswirt Edgar Walk hält es aber für wahrscheinlich, dass sie die Akteure am Finanzmarkt auf einen solchen Schritt im Juni vorbereiten werden.
BERICHTSSAISON SCHREITET VORAN
Auf Unternehmensseite beschäftigt die auf Hochtouren laufende Berichtssaison weiterhin die Anleger. Am Dienstag dürften die Märkte einen großen Augenmerk auf den aktuellen Zwischenbericht von Apple (2:AAPL) legen. In Deutschland füllt sich die Agenda am Mittwoch mit dem Medizinkonzern Fresenius (4:FREG) und einigen Nebenwerten aus dem Index der mittelgroßen Unternehmen MDax (MDAX) wie dem Modekonzern Hugo Boss (4:BOSSn) und dem Gabelstapler-Hersteller Jungheinrich (4:JUNG_p).
Der Donnerstag stellt mit Zahlen von Siemens (4:SIEGn), Adidas (4:ADSGN), Infineon (4:IFXGn) und BMW (4:BMWG) einen weiteren Höhepunkt dar. Bei Siemens rechnet Kepler-Analyst William Mackie mit einem anhaltend starken Abschneiden. Auch Adidas dürfte laut Fred Speirs von der UBS (SIX:UBSG) ein sehr gutes erstes Quartal gehabt haben. Bei BMW und Infineon hatte es vorab schon Andeutungen gegeben.