London (Reuters) - Wenige Tage vor der Parlamentsabstimmung über den Brexit-Vertrag halten hochrangige Kabinettsmitglieder einem Zeitungsbericht zufolge eine Verschiebung des EU-Austritts für wahrscheinlich.
Der Zeitplan für die Gesetzgebung sei mittlerweile sehr eng, zitierte der "Evening Standard" am Freitag einen namentlich nicht genannten Minister. Eine Regierungssprecherin dementierte, dass es solche Pläne gebe. Vielmehr habe Premierministerin Theresa May eine Verschiebung des Austritts am 29. März ausgeschlossen.
Die Abgeordneten im britischen Unterhaus sollen am Dienstag über den Vertrag abstimmen. Der Ausgang ist vollkommen ungewiss, eine Mehrheit nicht in Sicht. Im Dezember hatte May die Abstimmung über das auch von Teilen ihrer Konservativen Partei Tories abgelehnte Abkommen einen Tag vor dem Votum abgesagt. Knackpunkt ist vor allem die Frage, wie sich nach dem Brexit Kontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland umgehen lassen - auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Bei einem Aus im Unterhaus droht ein ungeordneter Brexit mit Einbrüchen für die Wirtschaft.
BRITISCHE WIRTSCHAFT VORSICHTIG
Eine Ablehnung des Vertrags durch das Parlament könnte Außenminister Jeremy Hunt zufolge dazu führen, dass der Ausstieg aus der EU ganz abgesagt werde. Ein "Nein" könnte eine "Brexit-Lähmung" auslösen, die den geplanten Abschied aus der EU stoppen könnte, sagte Hunt. Das Parlament wolle einen ungeregelten Austritt verhindern.
Zwei Haupt-Geldgeber der Brexit-Kampagne gehen inzwischen davon aus, dass Großbritannien in der EU bleibt. Der Milliardär Peter Hargreaves und der Hedgefund-Manager Crispin Odey sagten zu Reuters, sie könnten angesichts der Zusammensetzung des Parlaments nicht erkennen, wie das Abkommen eine Mehrheit erhalten könnte.
Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs steht angesichts der Unsicherheiten auf der Bremse. Im November sank der Ausstoß im Verarbeitenden Gewerbe um 0,4 Prozent. Insgesamt zeichnet sich damit ein langsameres Wachstumstempo ab. Von September bis November verringerte sich der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts laut Statistikamt ONS gegenüber den vorangegangenen drei Monaten auf 0,3 Prozent. Dies ist der schwächste Wert binnen sechs Monaten.
Großbritannien soll am 29. März nach 45 Jahren aus der EU ausscheiden. Bis Ende 2020 gibt es eine Übergangsphase, in der dort noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn Großbritannien das Abkommen ratifiziert.