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Wirecard stürzt an der Börse weiter ab

Veröffentlicht am 19.06.2020, 12:55
© Reuters.
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Frankfurt (Reuters) - Das Wirecard-Desaster an der Börse geht weiter: Die im Dax notierten Titel des Zahlungsdienstleisters brachen am Freitag erneut um fast die Hälfte ein. In nur eineinhalb Tagen verlor der im Zentrum eines milliardenschweren Bilanzskandals stehende Konzern gut zehn Milliarden Euro an Wert.

Firmenchef Markus Braun versuchte, den Vertrauensverlust der Anleger zu stoppen, und erklärte in einer Stellungnahme per Video, Wirecard sei womöglich Opfer eines milliardenschweren Betrugs.

“Auch wenn der Vorstand des deutschen Zahlungsabwicklers wie ein Blitzableiter weiterhin die Schuld von sich weist, droht jetzt eine Klagewelle gegen den Konzern”, sagte Börsenexperte Jochen Stanzl vom Brokerhaus CMC Markets. “Die Investoren fragen sich, warum man erst jetzt handelt, nachdem die Ungereimtheiten schon monatelang nicht ausgeräumt werden konnten.” Analysten der US-Bank Citi strichen Wirecard (DE:WDIG) wie andere Analysten schon zuvor komplett von ihrer Beobachtungsliste.

Im September 2018, als der erst vor gut zwei Jahrzehnten gegründete Zahlungsabwickler die 150 Jahre alte Commerzbank (DE:CBKG) aus dem Dax verdrängte, kostete eine Wirecard-Aktie noch fast 200 Euro. Firmenchef Braun wurde als Visionär gefeiert, der den angestammten Banken mit seinem Geschäftsmodell das Fürchten lehren sollte. Nun steht das Unternehmen aus einem kleinen Münchener Vorort im Zentrum eines milliardenschweren Bilanzskandals. Wirtschaftsprüfer von EY können 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten bei Banken in Asien liegen sollen, nicht mehr auffinden.

"Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Wirecard AG in einem Betrugsfall erheblichen Ausmaßes zum Geschädigten geworden ist", sagte Braun in dem Video here, das in der Nacht zu Freitag online gestellt wurde. Es sei aktuell unklar, warum die beiden Banken, die im Auftrag von Wirecard Treuhandkonten verwaltet hätten, dem Wirtschaftsprüfer EY gegenüber erklärt hätten, Bestätigungen über dort angelegte Milliardensummen seien gefälscht.

Die zwei philippinischen Banken BDO Unibank und Bank of the Philippine Islands (BPI), die in Medienberichten als die betroffenen Partnerbanken genannt wurden, dementierten, mit Wirecard eine Geschäftsbeziehung zu führen. Dokumente, die externe Prüfer von Wirecard vorgelegt hätten, seien gefälscht, erklärte BPI. Darüber hinaus teilte BDO mit, Dokumente, die ein Konto von Wirecard bei der Bank bestätigen sollten, trügen gefälschte Unterschriften von Bankenvertretern.

EIN VORSTAND MUSSTE BEREITS GEHEN

Durch die erneute Verschiebung des Jahresabschlusses 2019 könnte Wirecard Probleme mit seinen Banken bekommen. Kredite in Höhe von rund zwei Milliarden Euro können Wirecard zufolge nur dann verlängert werden, wenn dieser Abschluss vorliegt. Die Verhandlungen mit den Instituten liefen auf Hochtouren, sagte ein Insider. Generell können Banken Verlängerungen von Krediten an Bedingungen knüpfen und etwa einen Konzernumbau verlangen oder personelle Änderungen im Management.

Auch von Seiten der Deutschen Börse (DE:DB1Gn) droht Ärger. Weil die Frist für die Veröffentlichung des Geschäftsberichts bereits im April abgelaufen ist, prüft die Frankfurter Wertpapierbörse schon seit dieser Zeit die Einleitung eines Sanktionsverfahrens. Diese Prüfung dauere noch an, sagte ein Sprecher der Deutschen Börse. Bei Verstößen gegen Börsenpflichten droht Wirecard ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro. Ein unmittelbares Herausfallen aus dem Dax droht aber nicht. Die nächste standardmäßige Überprüfung des Index steht erst Anfang September an. Außerhalb der Reihe werden Indizes nur neu zusammengestellt, wenn Firmen fusionieren oder übernommen werden.

Der Aufsichtsrat zog bereits erste personelle Konsequenzen aus dem Bilanzdebakel und stellte den für das Tagesgeschäft verantwortlichen Vorstand Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung frei. Seinen Job übernimmt James Freis, der neu in den Vorstand kommt und eigentlich am 1. Juli erst hätte starten sollen. Unklar sei, was mit den weiteren offenen Posten im Management sei und ob die Personen, mit denen man bereits gesprochen habe, nun für einen Wechsel bereit seien, sagte ein Insider. Wirecard hatte vor ein paar Wochen angekündigt, weitere Vorstände und auch Aufsichtsräte zu suchen. Investoren hatten kritisiert, die Gremien seien im Vergleich zu anderen Dax-Konzernen zu klein.

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