Von Carlos González
Investing.com – Boris Johnson hat sich letztlich dem Druck seiner eigenen Partei und der Mitglieder seiner Regierung gebeugt und ist als Parteichef zurückgetreten.
Johnson sah sich zu dieser Entscheidung gezwungen, nachdem er die Unterstützung seiner Minister und der konservativen Parteifreunde verloren hatte, die öffentlich und privat erklärten, er sei für dieses Amt nicht geeignet.
Nach tagelangem Kampf um sein Amt haben sich fast alle Verbündeten von ihm abgewandt, nachdem der letzte einer Reihe von Skandalen ihre Bereitschaft, ihn zu unterstützen, beendete. Er wolle jedoch weiter Premierminister bleiben, bis seine Partei eine Nachfolge beschlossen hat.
Wie geht es weiter?
Abgesehen von den politischen Aspekten steht die Frage im Raum, wie die Märkte reagieren werden?
Azad Zangana, Ökonom und Senior European Strategist für Europa bei Schroders (LON:SDR), ist überzeugt, dass der Rücktritt von Boris Johnson „einen Kampf um die Führung der Konservativen Partei und die Präsidentschaft des Landes auslösen wird, der wahrscheinlich nicht vor dem Herbst entschieden ist. Damit beginnt eine lange Zeit der Ungewissheit über die politische und wirtschaftliche Richtung des Landes“.
Die Zukunftsaussichten hängen nun davon ab, wer Johnsons Nachfolger wird. Zangana: „Eine Rückkehr zur traditionellen konservativen Politik wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich eine gewisse Sparpolitik mit sich bringen. Allerdings auch eine Rückkehr zu einer wirtschaftsfreundlichen Politik. Ein anderer populistischer Vertreter könnte jedoch eine Fortsetzung desselben Ansatzes in der Wirtschaft bewirken“.
Andererseits scheinen die Märkte laut Ben Laidler, Stratege für globale Märkte bei der Multi-Asset-Investmentplattform eToro, „die Entwicklung in Richtung der geringeren politischen Unsicherheit zu begrüßen, denn bis Januar 2025 wird es keine Parlamentswahlen geben. In der Zwischenzeit könnten Steuersenkungen die kränkelnde Wirtschaft stützen“.
Außerdem erinnert Laidier daran, dass „Märkte keine Volkswirtschaften sind“. Für den eToro-Strategen für globale Märkte ist der FTSE100 in diesem Jahr trotz der gestiegenen Inflation im Vereinigten Königreich, des sinkenden Wirtschaftswachstums und der politischen Unsicherheit der Aktienmarkt mit der weltweit auffälligsten Performance. Im Vergleich zum 20 Prozent Rückgang des US-amerikanischen S&P 500 und des deutschen DAX liegt er nur 4 Prozent im Minus. Dabei profitiert er von einer Mischung aus billigen Rohstoff- und defensiven dividendenstarken Aktien.
Wer wird der neue Regierungschef sein?
Die Konservativen müssen nun einen neuen Vorsitzenden wählen, ein Prozess, der etwa zwei Monate dauern dürfte. Derzeit ist unklar, ob man Johnson in einer Interimsrolle weitermachen lassen wird.
Was geschah?
Johnsons politische Unterstützung löste sich in den vergangenen 24 Stunden in Luft auf. Sein Finanzminister Nadhim Zahawi, der sein Amt erst am Mittwoch angetreten hatte, forderte Johnson zum Rücktritt auf.
Als Boris Johnson vor fast drei Jahren an die Macht kam, versprach er, das heiße Eisen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union endlich anzupacken. Doch aus dem anfänglichen Enthusiasmus wurde bei seinen Mitstreitern alsbald pure Ablehnung.
Der streitlustige und chaotische Ansatz seines Regierungsstils sowie eine Reihe von Skandalen haben die Geduld der Abgeordneten und der Öffentlichkeit überstrapaziert.