Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Deutschlands größte Industriegewerkschaft will in den Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern ein Lohnplus von 7 bis 8 % durchsetzen. Auf diese Weise soll der Einkommensverlust in Folge der höchsten Inflation seit über 30 Jahren aufgefangen werden, berichteten deutsche Medien am Donnerstag.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in zwei der größten deutschen Bundesländer, Bayern und Niedersachsen, zitierten lokale Gewerkschaftsfunktionäre mit der Aussage, dass sie eine Einigung in der Größenordnung von 7 bis 8 % als Ziel anstreben werden, obgleich die Gewinnmargen der Unternehmen durch steigende Energiekosten und andere Störungen im Zusammenhang mit der Pandemie und dem Einmarsch Russlands in der Ukraine unter Druck geraten sind.
Regionale Tarifkommissionen der IG Metall aus mehreren Bundesländern legen ihre Vorschläge am Donnerstag der Gewerkschaftsspitze vor. In Frankfurt am Main soll dann am 11. Juli ein formeller Beschluss gefasst werden. Nach dem Sommer werden dann formelle Verhandlungen mit den Arbeitgebern stattfinden.
In der Regel fallen die Lohnerhöhungen am Ende deutlich niedriger aus als die ursprünglichen Forderungen der Gewerkschaft. Insofern ist es eher unwahrscheinlich, dass die Endsumme die durchschnittliche Inflationsrate von 7,1 % erreicht, die die Deutsche Bundesbank für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr prognostiziert. Die Unterhändler der IG Metall in der Glasindustrie haben sich kürzlich auf eine Erhöhung von 4,7 % für das kommende Jahr geeinigt.
Die Tarifabschlüsse der IG Metall sind deshalb so wichtig, weil sie als Referenzwert für andere Unternehmen der Privatwirtschaft in Deutschland dienen. Sie haben daher einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtinflation in der größten europäischen Volkswirtschaft, wenngleich ihre Bedeutung in zwei Jahrzehnten äußerster Zurückhaltung infolge der Deindustrialisierung und der Verlagerung vieler Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe nach Mitteleuropa abgenommen hat. Die Dynamik der deutschen Lohnentwicklung ist wiederum ein wichtiger Faktor für die Einschätzung der allgemeinen Preisentwicklung in der Eurozone durch die Europäische Zentralbank.
Die IG Metall präsentiert ihre Forderungen zu einem Zeitpunkt, an dem die deutsche Wirtschaft in Bezug auf die Energieversorgung zunehmend unter Druck gerät. Russland hat seine Erdgaslieferungen an Deutschland um 60 % gedrosselt, woraufhin die Bundesregierung den "Alarmzustand" ausgerufen und Notfallpläne für den kommenden Winter in die Wege geleitet hat. Uniper (F:UN01), einer der größten deutschen Energieversorger, sagte am Mittwoch, dass er Gespräche mit der Bundesregierung über Rettungsmaßnahmen führe. Man verliere Geld und könne die Kosten für das zu rekordhohen Preisen gekaufte Gas wegen der Unterdeckung seitens Gazprom (MCX:GAZP) nicht an die Kunden weitergeben.