Investing.com - Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat im Kampf gegen die Inflation ihren Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte angehoben und das, obwohl die US-Bankenkrise weiterhin hohe Wellen in der Finanzwelt schlägt. Damit steigt die Spanne der Fed Funds Rate auf 4,75 Prozent bis 5,00 Prozent. Das teilte die Fed am Mittwoch in Washington mit.
Analysten hatten mit einem solchen Schritt bei der heutigen Sitzung gerechnet. Nur eine Minderheit hatte erwartet, dass die Fed in Anbetracht der Turbulenzen im US-Bankensektor eine Zinspause einlegen würde. Eine Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte stand nur zu Beginn des Monats zur Debatte, als Fed-Chef Jerome Powell betonte, er rechne mit einem langen und steinigen Weg, bis die Inflation wieder zum Zielwert der Zentralbank zurückkehrt.
Der wichtige Passus, wonach bei das FOMC davon ausgeht, "dass kontinuierliche Erhöhungen des Zielkorridors angemessen sein werden, um eine ausreichend restriktive Geldpolitik zu gewährleisten, um die Inflation mit der Zeit wieder auf 2 Prozent zurückzuführen", wurde angepasst. Nun heißt es im Begleittext:
"Der Ausschuss wird die eingehenden Informationen sorgfältig überwachen und die Auswirkungen auf die Geldpolitik bewerten. Der Ausschuss geht davon aus, dass eine gewisse zusätzliche Straffung der Geldpolitik angebracht sein könnte, um einen ausreichend restriktiven geldpolitischen Kurs zu erreichen, der die Inflation im Laufe der Zeit wieder auf 2 % zurückführt."
Weiter heißt es:
"Bei der Festlegung des Umfangs künftiger Erhöhungen des Zielkorridors wird der Ausschuss die kumulative Straffung der Geldpolitik, die Verzögerungen, mit denen sich die Geldpolitik auf die Wirtschaft und die Inflation auswirkt, sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen berücksichtigen."
"Der Ausschuss ist fest entschlossen, die Inflation auf das Ziel von 2 Prozent zurückzubringen."
"Das US-amerikanische Bankensystem ist solide und widerstandsfähig."
Die Entscheidung der Fed fiel einstimmig.
Es ist bereits die neunte Zinserhöhung in Folge, seit die Fed im März letzten Jahres mit dem Kampf gegen die höchste Inflation seit mehr als 40 Jahren begonnen hat, aber die zweite hintereinander um "nur" 25 Basispunkte. Seit Mitte letzten Jahres hatte die mächtigste Zentralbank der Welt den Leitzins in vier aufeinanderfolgenden Sitzungen um ungewöhnliche 75 Basispunkte heraufgesetzt, bevor sie Ende des Jahres wieder einen Gang zurückschaltete.
Der Grund für den aggressiven Zinserhöhungszyklus liegt in der Angst vor einem Gewöhnungseffekt von Verbrauchern und Unternehmen an eine hohe Inflation, die zu einem starken Lohnanstieg führen könnte.
Die Inflation in den USA hat sich im Februar zwar weiter abgeschwächt, jedenfalls ist sie nicht mehr so stark gestiegen wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im Monatsvergleich verteuerten sich Waren und Dienstleistungen jedoch weiter. Die Kernrate, die volatile Komponenten wie Energie und Nahrungsmittel ausklammert, zeigt das gleiche Bild. Unterm Strich kühlt sich die Teuerung ab, bleibt aber klar über dem 2 Prozent-Ziel der Fed. Ein Blick auf die Übersichtstabelle der Atlanta Fed genügt, um sagen zu können, dass die Inflation noch immer viel zu heiß ist. Sechs der darin neun beobachteten Inflationsindikatoren liegen deutlich über dem Niveau des Vorjahresmonats - teils sogar mit weiter steigender Tendenz.
Dass die Inflation extrem "klebrig" bzw. hartnäckig ist, belegt vor allem der so genannte "sticky" Verbraucherpreisindex ohne Lebensmittel und Energie. Dieser Preisindex lag im Februar konstant bei 6,6 Prozent. Hier zeichnet sich zwar allmählich ein Plateau ab, dennoch steht er noch immer so hoch wie zuletzt in den 1980er Jahren.
Zu den Komponenten des Sticky-CPI gehören die Owners' Equivalent Rent (ein Maß für die Inflation von selbst genutztem Wohnraum), der Mietwert des Hauptwohnsitzes, Erholung/Freizeit, Restaurantbesuche, medizinische Versorgung sowie Haushaltseinrichtung und -betrieb.
Der Dot Plot der US-Notenbanker
In den neuen Zinsprognosen sehen die US-Notenbanker den Zinsgipfel in diesem Jahr unverändert bei 5,1 Prozent. Nach den Turbulenzen im US-Bankensektor hat der Markt seinen Endsatz zuletzt auf 4,9 Prozent gesenkt.
Erste Zinssenkungen sieht die Fed erst im Jahr 2024. Hier soll der Leitzins dann auf 4,3 Prozent (vorher 4,1 Prozent) sinken, ehe er 2025 auf 3,1 Prozent (vorher 3,1 Prozent) fällt.
Die Wachstums- und Inflationsprognosen der US-Notenbanker
In ihren Wachstumsprojektionen erwartet die Fed nun ein geringeres Wirtschaftswachstum für 2023 als noch vor drei Monaten angenommen. Demnach soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der größten Volkswirtschaft der Welt nur noch um 0,4 Prozent wachsen. Zuvor hatte man mit 0,5 Prozent gerechnet. 2024 soll sich dann die Wirtschaft mit einem Wachstumsclip von 1,2 Prozent (vorher 1,6 Prozent) erholen.
"Vor dem Hintergrund dieser konjunkturellen Abschwächung, die den Rückgang der Kerninflation voraussichtlich noch beschleunigen wird, gehen wir nach wie vor davon aus, dass die Fed die Zinsen noch in diesem Jahr erneut senkt - und zwar wesentlich früher, als es die offiziellen Prognosen derzeit vermuten lassen", kommentierte Andrew Hunter, US-Ökonom beim Londoner Analysehaus Capital Economics.
Die PCE-Kerninflation sieht die Fed für 2023 mit 3,6 Prozent (vorher 3,5 Prozent) weiterhin deutlich über dem Zielwert von 2 Prozent.
Die Pressekonferenz von Fed-Chef Powell findet um 19:30 Uhr MEZ statt. (Zur Pressekonferenz hier klicken) Hier gilt es besonders auf die Bemerkungen des Notenbankchefs bezüglich der viel zitierten "Non-Housing Core Services Inflation" zu achten, die sich auf die Inflation oder die Veränderung der Preise von Waren und Dienstleistungen bezieht, die nicht mit dem Immobiliensektor zusammenhängen. Mit Spannung warten die Marktteilnehmer auch auf sein Urteil zu den jüngsten Turbulenzen im US-Bankensektor.
Nach der Pleite zweier US-Banken hat die Fed gemeinsam mit dem Finanzministerium umgehend gehandelt und das Bank Term Funding Program (BTFP) ins Leben gerufen, über das sich ausgewählte Banken in wirtschaftlichen Notlagen Liquidität beschaffen können. Und das Programm wurde bereits rege genutzt, wie die Daten zur Fed-Bilanz zeigen. Seit dem 8. März hat sich die Bilanz der Fed um satte 297 Milliarden Dollar erhöht, nach einer stetigen Schrumpfung seit Mitte des vergangenen Jahres.
Die Reaktion der Märkte
Die Aktienmärkte reagierten unmittelbar nach der Zinsentscheidung mit steigenden Kursen, gaben aber bis 19.15 Uhr MEZ einen Großteil der Gewinne wieder ab: der S&P 500 lag zuletzt 0,22 % im Plus bei 4.011 Punkte, das Tageshoch hatte der US-Leitindex bei 4.032,3 Stellen aufgestellt. Der Dow-Jones-Index büßte 0,08 Prozent auf 32.534 Punkte, während der mit Tech-Aktien (NYSE:XLK) bestückte Nasdaq 100 0,51 Prozent anstieg. Der Dollar-Index verlor 0,62 Prozent, wohl weil die neuen Zinsprognosen nur noch einen Zinsschritt in diesem Zyklus signalisieren. Für den EUR/USD ging es um 0,72 Prozent nach oben auf 1,0842 Dollar. Der Gold Futures stoppte seine jüngste Korrektur und legte um knapp 20 Dollar auf 1.960 Dollar zu. Am Rentenmarkt sank die zweijährige Treasury-Rendite um 10 Basispunkte auf 4,07 Prozent, die zehnjährige Rendite fiel um rund 6 Basispunkte auf 3,549 Prozent.
von Robert Zach