TALLINN (dpa-AFX) - Beim EU-Gipfel hat es nach Angaben von Estlands Regierungschefin Kaja Kallas intensive Diskussionen über die Telefonate von Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegeben. "Wir hatten eine sehr hitzige Debatte darüber, Putin anzurufen", sagte Kallas am Dienstagabend im estnischen Fernsehen. Sie habe dabei ihre Ansicht darüber geäußert, was "die sogenannten Vorteile" der Telefonate seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewesen sind. Kallas hatte sich wiederholt kritisch zu Gesprächen mit Putin gezeigt.
Russlands Armee hatte das Nachbarland Ende Februar angegriffen, seither hat Scholz mehrfach mit Putin telefoniert. Als wenige Tage nach einem Telefonat Ende März das Massaker im Kiewer Vorort Butscha bekannt wurde, herrschte sechs Wochen lang Funkstille. Am Samstag sprachen Scholz und Macron zuletzt mit Putin und forderten ein Ende des Krieges.
Wohlwollende Worte hatte Kallas für den ungarischen Regierungschef Viktor Orban übrig, der wochenlang einen EU-Boykott gegen russisches Öl blockierte, sich in den Verhandlungen aber konstruktiv gezeigt habe. "Er hat ein Bild, das er in den Medien präsentiert, und ein anderes Bild in diesen Diskussionen. Wir haben nach einer Lösung für seine Anliegen gesucht. Er hat seine Anliegen geschildert und schließlich wurde eine Lösung gefunden", sagte Kallas.
Die EU-Staaten haben sich zu Wochenbeginn nach langen Diskussionen auf einen weitgehenden Boykott von Öllieferungen aus Russland verständigt. Kallas hatte sich davon positiv überrascht gezeigt. Die Regierungschefin des an Russland grenzenden baltischen EU-Landes hält aber auch ein Einfuhrverbot für Gas für notwendig.