von Robert Zach
Investing.com - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag wie erwartet ihren Leitzins erhöht und damit einen weiteren Schritt im Kampf gegen die ausufernde Inflation in der Eurozone unternommen.
Wie die Währungshüter in Frankfurt mitteilten, wird der Leitzins um 75 Basispunkte auf 1,25 Prozent angehoben. So hoch war der Hauptrefinanzierungssatz zuletzt 2011, zugleich betonte die EZB, dass der Rat "die Zinsen in den nächsten Sitzungen weiter erhöht, um die Nachfrage zu dämpfen und dem Risiko einer andauernden Aufwärtsverschiebung der Inflationserwartungen vorzubeugen."
An den Finanzmärkten war mit einer Erhöhung um 75 Basispunkte gerechnet worden - entsprechend zurückhaltend fielen die Reaktionen aus. Der Euro hielt sich nach der Entscheidung leicht im Plus, der DAX blieb im Minus.
Der Zinssatz zur Einlagefazilität, der seit 2012 null oder negativ ist, soll auf 0,75 Prozent angehoben werden. Zudem soll das zweistufige System für die Verzinsung von Überschussreserven ausgesetzt werden.
Die Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB steigt von 0,75 Prozent auf 1,50 Prozent.
Die Eurozone sieht sich einem beispiellosen Inflationsschock ausgesetzt. Ursache dafür sind die infolge des Ukraine-Kriegs und der missglückten Energiepolitik der Eurozone explodierenden Energiepreise sowie die steigenden Kosten, die sich aus den anhaltenden Störungen der Beschaffungskette aufgrund der strikten Null-Covid-Politik Chinas ergeben.
Im August waren die Verbraucherpreise in der Eurozone binnen Jahresfrist um 9,1 Prozent gestiegen. So hoch stand die Inflation in der Staatengemeinschaft noch nie.
Speziell die steigenden Energiepreise hoben die Teuerung auf ein neues Rekordhoch. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sie sich um mehr als 38 Prozent. Preisauftrieb kam auch von Nahrungsmitteln und Genussmitteln. Ebenfalls kräftig gestiegen sind die Preise für Industriegüter und Dienstleistungen.
Die hohe Inflation schlägt sich bereits auf zahlreiche Konjunkturindikatoren nieder, was es für die EZB in einem wandelnden Wachstumsumfeld noch schwieriger macht, die Leitzinsen merklich zu erhöhen. Der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex für die Eurozone fiel im August sogar weiter unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Eine derartige Entwicklung korrespondiert mit einer Schrumpfung des BIP. Im Dienstleistungssektor lässt der Wiedereröffnungseffekt nach, nicht zuletzt aufgrund sinkender Realeinkommen, während sich das verarbeitende Gewerbe weiterhin in einer schwachen Verfassung befindet.
Besonders die deutsche Industrie tut sich schwer. Im Juli war die Produktion (ohne Baugewerbe) gegenüber dem Vormonat rückläufig. Davon betroffen waren vor allem energieintensive Branchen wie die chemische Industrie. Die Lieferengpässe lassen zwar allmählich nach, bleiben aber akut. Für die deutsche Wirtschaft zeichnet sich laut Ifo-Erwartungsindex ein starker BIP-Rückgang ab.
Nach der Herbstprognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr noch um 1,4 Prozent wachsen (Prognosesenkung um 0,7 Prozentpunkte gegenüber der Sommerprognose), im nächsten Jahr erwartet das Institut jedoch einen Rückgang des BIP um 0,7 Prozent. Das sind 4 Prozentpunkte weniger als in der vorherigen Prognose.
Hauptursache für den düsteren Ausblick sind die hohen Energiepreise, die "mit voller Wucht" energieintensive Produktionszweige und konsumnahe Wirtschaftsbereiche treffen werden, wie der Vizepräsident und Leiter der Wirtschaftsforschung am IfW Kiel, Stefan Kooths, prognostizierte.