Investing.com - In der Debatte darüber, ob die Europäische Zentralbank ihren Leitzins im Mai um 25 oder 50 Basispunkte anheben soll, herrscht noch immer keine Einigkeit. Die EZB müsse ihre Zinssätze noch ein wenig anheben, aber der größte Teil ihrer Arbeit sei getan, sagte der französische Zentralbankchef Francois Villeroy de Galhau am Mittwoch. Das Hauptaugenmerk gelte nun eher der Frage, wie lange man die Zinsen hochhalten müsse, meinte er.
Nachdem die EZB im vergangenen Jahr die Leitzinsen so schnell wie nie zuvor angehoben hat, rückt nun die Frage in den Mittelpunkt der Debatte, ob ein langsameres Zinstempo gerechtfertigt ist.
"Möglicherweise müssen wir die Zinssätze bei unseren nächsten Sitzungen noch ein wenig anheben, ich halte es aber für verfrüht, jetzt schon zu entscheiden, was wir im Mai tun werden", sagte Villeroy in einer Rede in Washington.
"Wir haben den größten Teil unserer Zinserhöhungen bereits hinter uns, und der stärkste wirtschaftliche Effekt, der noch kommt, sind die Auswirkungen dessen, was wir bereits getan haben", erklärte das EZB-Mitglied.
Die Märkte gehen bis September von einem weiteren Zinsanstieg um 75 Basispunkte aus. Allerdings sind sich die Anleger uneinig, ob dieser Anstieg in zwei oder drei Schritten erfolgt. Eine Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte ist für den 4. Mai bereits komplett eingepreist, aber die Wetten auf einen größeren Schritt haben in den letzten Tagen zugenommen.
Laut Ratsmitglied Robert Holzmann könnte die Euro-Notenbank die Zinssätze im Mai zum vierten Mal hintereinander um 50 Basispunkte anheben, nachdem sich die Turbulenzen, die das globale Bankensystem im März erschüttert hatten, gelegt haben. "Wenn die Dinge im Mai nicht wirklich schlimmer geworden sind, denke ich, können wir uns weitere 50 Basispunkte leisten."
Villeroy hingegen sprach in Washington bereits von der Voraussetzung, die ein Ende der Straffung der Geldpolitik erlauben würde.
"Ein Turnaround im Trend der zugrunde liegenden Inflation wäre ein Grund, die Zinsen zu stabilisieren", sagte er mit Blick auf die tatsächliche und die erwartete Inflation.
Während die Gesamtinflation im Euroraum in den letzten Monaten stetig zurückgegangen ist, hat die Kerninflation, bei der die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert werden, immer neue Rekordwerte erreicht. Die Kerninflation gilt als zuverlässigerer Indikator zur Messung des zugrunde liegenden Inflationsdrucks.
Villeroy spielte auch die Bedeutung der noch ausstehenden Erhöhungen herunter und argumentierte, dass der stärkste Einfluss von den bereits erfolgten Erhöhungen ausgehen wird.
"Die verzögerte Wirkung unserer vergangenen Zinserhöhungen wird bedeutender sein als die unserer künftigen Entscheidungen", sagte Villeroy. "Bei den Zinsen gilt wie in der Ballistik: Länger ist wichtiger als höher."
Investing.com/Reuters