SCHARM EL SCHEICH/NUSA DUA (dpa-AFX) - Zum Auftakt der entscheidenden zweiten Woche der Weltklimakonferenz ziehen die ägyptischen Gastgeber eine ernüchternde Bilanz. In entscheidenden Fragen hätten die Teilnehmerstaaten noch keine Fortschritte gemacht, sagte Konferenz-Präsident Samih Schukri in Scharm el Scheich. "Wir müssen einen Gang hochschalten", appellierte der Außenminister.
Um ein ordnungsgemäßes Ende der zunächst bis Freitag laufenden Konferenz sicherzustellen, erwarte er, dass bis Mittwochabend nur noch "sehr wenige Fragen offen sind". Am Donnerstag solle dann die Arbeit zusammengeführt werden. "Die Zeit ist nicht auf unserer Seite und die Welt blickt auf uns", sagte Schukri. "Lassen Sie uns an die Arbeit gehen."
Der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, beklagte: "Anstatt der Klimakrise konstruktiv und solidarisch zu begegnen, bewegen wir uns rückwärts und viel zu zögerlich. Stand jetzt fahren die Staaten, die am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, frustriert und hilflos nach Hause. Das darf nicht geschehen." Bei der Konferenz wollen sich Vertreter von knapp 200 Staaten auf weitere gemeinsame Schritte gegen die Erderwärmung verständigen.
Guterres für Klima-Solidarpakt
UN-Generalsekretär António Guterres warnte auf der indonesischen Insel Bali eindringlich vor der Erderwärmung und forderte einen Klima-Solidarpakt zwischen reichen Industrienationen und Schwellenländern. In einer Rede vor dem Gipfel der Gruppe der großen Wirtschaftsmächte (G20) mahnte er: "Wir sind gefährlich nah an Umschlagpunkten, ab denen das Klimachaos unumkehrbar werden könnte." Wenn die Erderwärmung über diese Grenze hinausgehe, so lehre die Wissenschaft, "stellt es eine existenzielle Bedrohung für alles Leben auf der Erde dar". Aber globale Emissionen und Temperaturen stiegen dennoch weiter an.
Bei dem von ihm vorgeschlagenen Klima-Solidarpakt könnten reiche Länder und internationale Finanzinstitutionen finanzielle und technologische Unterstützung liefern und Schwellenländern helfen, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen.
Wie Indien Treibhausgase sparen will
Indien hat eine Strategie vorgelegt für sein Ziel, bis zum Jahr 2070 klimaneutral zu werden - also nicht mehr Treibhausgase auszustoßen als auch wieder gebunden werden können. Indien, das Land mit der zweitgrößten Bevölkerungszahl der Welt mit mehr als 1,3 Milliarden Menschen, zählt mit den USA und China zu den größten Verursachern klimaschädlicher Emissionen. Der Strategie zufolge will das südasiatische Land unter anderem bei der Stromerzeugung und bei Transportsystemen weniger klimaschädliche Emissionen verursachen. Der indische Transportsektor mache fast zehn Prozent der Emissionen aus, hieß es.
Deutschland fällt in Klimaschutzrennen etwas zurück
Im Rennen um den weltweit besten Klimaschutz ist Deutschland leicht zurückgefallen. Im neuen Klimaschutz-Index 2023 liegt die Bundesrepublik auf Rang 16 - nach Platz 13 im Vorjahr. Bewertet wurden die Bemühungen von 59 Ländern und der EU. Herausgegeben wurde der Index am Montag von den Umweltorganisationen Germanwatch und Climate Action Network sowie dem NewClimate Institute. Er erfasst 92 Prozent aller klimaschädlichen Treibhausgasemissionen. Wie schon in den Vorjahren bleiben die ersten drei Plätze leer - weil den Autoren zufolge kein Land genug für den Klimaschutz macht, um in allen Kategorien eine sehr gute Bewertung zu erzielen. Dänemark führt zum zweiten Mal in Folge das Ranking an, gefolgt von Schweden, Marokko, Chile, Indien sowie Estland und Norwegen.
Schutzschirm gegen Klimarisiken
Die wirtschaftsstarken G7-Staaten haben gemeinsam mit knapp 60 besonders verwundbaren Ländern einen globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken an den Start gebracht. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, Ziel sei es, dass im Krisenfall schnell Hilfe bereitsteht. Es seien jedoch noch mehr Finanzzusagen weiterer Staaten nötig. Zu den ersten Empfängerländern gehören nach Angaben des Ministeriums Bangladesch, Costa Rica, Fidschi, Ghana sowie Pakistan und Senegal.
Wachsende Schäden und Sorgen um Gletscher in Asien
In Asien wächst der Schaden durch wetterbedingte Katastrophen wie Dürren, Überschwemmungen und Erdrutsche rasant. Die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf beziffert die wirtschaftlichen Schäden für das Jahr 2021 auf 35,6 Milliarden Dollar (34,4 Mrd Euro). Verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2020 hätten die wirtschaftlichen Schäden durch Erdrutsche um 147 Prozent zugenommen, durch Dürren um 63 Prozent und durch Überschwemmungen um 23 Prozent. Studien zeigen, dass es solche Naturkatastrophen zwar immer schon gab, sie durch den Klimawandel aber häufiger und heftiger werden.
Die WMO ist besorgt über den Gletscherrückgang im Himalaya und im Hochland von Tibet, wo das größte Eisvolumen außerhalb der Polarregionen liegt. Die Gletscher hätten wegen der besonders warmen und trockenen Monate 2021 stark an Masse verloren. Das Schmelzwasser versorgt Hunderte Millionen Menschen in Asien mit Trinkwasser.