MOSKAU/BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat deutliche Kritik an der Entscheidung Moskaus geübt, eine Obergrenze für deutsche Staatsbedienstete in Russland einzuführen. Diese Grenze erfordere "einen großen Einschnitt in allen Bereichen unserer Präsenz in Russland", hieß es am Wochenende aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Es handele sich um eine "einseitige, nicht gerechtfertigte und nicht nachvollziehbare Entscheidung" Russlands. Das wies die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Montag entschieden zurück: Berlin, nicht Moskau habe mit den Ausweisungen begonnen.
Der neue russische Beschluss führt dazu, dass mehrere Hundert deutsche Staatsbedienstete wie Diplomaten, Lehrer und Beschäftigte der Goethe-Institute Russland verlassen müssen. Die Obergrenze tritt Anfang Juni in Kraft und trifft neben dem diplomatischen Dienst vor allem den Kultur- und Bildungsbereich. So müssen unter anderem Stellen an der Deutschen Schule in Moskau und an den Goethe-Instituten in Russland gestrichen werden.
Wie viele deutsche Mitarbeiter genau betroffen sind, blieb offen. Medienberichten zufolge soll es sich um eine dreistellige Zahl von Beschäftigten handeln. Konsequenzen hat das auch für russische Ortskräfte. "Der russischen Regierung war bei ihrer Entscheidung bewusst, dass davon eine beträchtliche Zahl lokal beschäftigter russischer Staatsbürger betroffen ist, die für die deutschen Auslandsvertretungen und Kultur- und Schul-Einrichtungen in Russland tätig waren und dadurch nun ihre Arbeitsplätze verlieren", erklärte die Bundesregierung.
Als erstes hatte die "Süddeutsche Zeitung" über die Entscheidung Russlands berichtet. Das Auswärtige Amt teilte demnach auf Anfrage mit, im Zusammenhang mit der Reduzierung der Präsenz russischer Nachrichtendienste in Deutschland habe das russische Außenministerium im April die Entscheidung getroffen, für den Personalbestand der deutschen Auslandsvertretungen und Mittlerorganisationen in Russland ab Anfang Juni eine Obergrenze einzuführen. Russland weist zurück, dass seine Diplomaten in Deutschland als Spione gearbeitet hätten.
Russland greife nicht von sich aus zu solchen Mitteln, sondern reagiere auf entsprechende Schritte der deutschen Seite, sagte Sacharowa der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Reduzierung der Stellen. "Es gibt eine Vielzahl von Schritten gegen Russland, russophoben Inhalts", sagte sie am Samstag. Sacharowa warf dem Auswärtigen Amt vor, im Verborgenen zu handeln. Schon zuletzt habe Deutschland zuerst öffentlich zurückgewiesen, dass es noch mehr russische Diplomaten ausweise - und dann doch Dutzende nach Hause geschickt. "Das ist eine klar belegte Lüge", meinte die Sprecherin.
Die deutsche Botschaft in Moskau wiederum wies die Darstellung zurück, Moskau reagiere mit der Obergrenze auf die Ausweisung russischer Diplomaten aus der Bundesrepublik. Dies habe Moskau längst getan: "Beide Prozesse sind abgeschlossen." Im April hatte Moskau nach der erzwungenen Ausreise russischer Diplomaten aus Berlin mehr als 20 deutsche Diplomaten ausgewiesen.
Deutschland und Russland hatten im Zuge ihrer schweren Spannungen in der Vergangenheit immer wieder gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Schon jetzt sind die Vertretungen stark ausgedünnt, die Dienstleistungen für deutsche Staatsbürger sind reduziert oder mit längeren Wartezeiten etwa bei der Ausstellung von Dokumenten verbunden. Die Lage hat sich mit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine deutlich verschärft.
Der Bundesregierung gehe es nun darum, eine Minimalpräsenz der Mittler in Russland bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung auch der diplomatischen Präsenz sicherzustellen, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Dies sei nur möglich, wenn "in allen Bereichen die Zahl der Mitarbeitenden teils stark reduziert wird". Sacharowa warnte zugleich vor möglichen neuen "unfreundlichen Schritten" Deutschlands. Moskaus Antwort werde in dem Fall "unvermeidbar und ziemlich spürbar" sein.
"Die Bundesregierung hat sich bewusst für die Zerstörung der bilateralen Beziehungen entschieden, indem sie innerhalb weniger Monate einen einzigartigen und von mehreren Generationen von Politikern, Bürgern und Diplomaten beider Länder aufgebauten Bestand an Instituten und Mechanismen für Dialog und beiderseitig vorteilhafte Zusammenarbeit vernichtete oder komplett lahmlegte", sagte Sacharowa. Sie ließ unerwähnt, dass Russland selbst zahlreiche deutsche Nichtregierungsorganisationen für "unerwünscht" erklärt und damit praktisch verboten hatte.