KARLSRUHE (dpa-AFX) - Persönlichkeitsrecht gegen das Interesse der Öffentlichkeit: Im Streit um die Veröffentlichung aus Tagebüchern im Zusammenhang mit dem "Cum-Ex"-Skandal ist nun der Bundesgerichtshof (BGH) am Zug. Bei der mündlichen Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe prüften die obersten deutschen Zivilrichter, inwieweit Medien wörtlich aus Tagebüchern eines Miteigentümers der in den Skandal verwickelten Hamburger Warburg Bank zitieren durften. Mit einem Urteil wird erst in einigen Wochen gerechnet.
Der Banker Christian Olearius hatte die "Süddeutsche Zeitung" verklagt, die im September 2020 auf ihrer Internetseite einen Bericht mit dem Titel "Notizen aus der feinen Gesellschaft" veröffentlicht hatte - mit Zitaten aus den Tagebüchern. In dem Artikel ging es um eine mögliche Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit millionenschweren Steuerrückforderungen nach "Cum-Ex"-Geschäften.
Olearius sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt, klagte auf Unterlassung und hatte damit vor dem Landgericht und dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg Erfolg. Dagegen hat die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) Revision beim BGH eingelegt (VI ZR 116/22).
Die Tagebücher waren im März 2018 bei einer Durchsuchung der Privaträume von Olearius beschlagnahmt worden. Durch die Aufzeichnungen waren Treffen des damaligen Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) 2016 und 2017 mit dem Bankier bekanntgeworden.
Dem OLG zufolge sind die Tagebücher amtliche Dokumente in einem Strafverfahren, aus denen nicht wörtlich hätte zitiert werden dürfen - mit Ausnahme von Passagen, die bereits öffentlich im Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft erörtert wurden. Das OLG sieht einen Verstoß gegen eine Gesetzesvorschrift, die Betroffene im Strafverfahren schützen soll. Die Veröffentlichung war demnach nicht rechtens, weil die Tagebücher nach Beschlagnahmung durch die Strafverfolgungsbehörden amtliche Dokumente seien.
Das sieht auch die Anwältin des Bankers so. Sie verwies vor dem BGH auf den gesetzlichen Schutz von Angeklagten vor Vorverurteilung und warnte vor einer "Prangerwirkung". Die Pressefreiheit sei nur gering berührt, da es nur um die Wiedergabe wörtlicher Zitate gehe. Der SZ-Anwalt verwies hingegen darauf, dass Olearius selbst andere Tagebuchpassagen veröffentlich habe und die Zitate nicht das laufende Steuerverfahren betroffen hätten. Sie hätten zur Aufdeckung möglicher anderer Missstände gedient. Die Frage sei doch: "Hat er die Finanzverwaltung beeinflusst?"
Auch das NDR-Magazin "Panorama" und "Zeit online" hatten Auszüge der Tagebücher veröffentlicht und waren verklagt worden. Die Verfahren wurden im Juni und Juli 2021 - wie im Fall der SZ - im Sinne des Klägers entschieden. In beiden Verfahren war von den Medienhäusern Berufung eingelegt worden. Vom OLG Hamburg gab es dazu aber noch keine Entscheidung.