NEW YORK (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in seiner Rede vor den Vereinten Nationen hinter die internationalen Bemühungen um Frieden in der Ukraine gestellt. "Zugleich müssen wir uns vor Schein-Lösungen hüten, die "Frieden" lediglich im Namen tragen", mahnte er aber am Dienstagabend laut vorab veröffentlichtem Manuskript in der Generaldebatte der UN-Vollversammlung. "Denn: Frieden ohne Freiheit heißt Unterdrückung. Frieden ohne Gerechtigkeit nennt man Diktat. Das muss nun endlich auch in Moskau verstanden werden."
Die russischen Präsidenten Wladimir Putin forderte Scholz erneut auf, den Krieg zu beenden. Er warb in seiner Rede auch für eine Reform des seit langem blockierten UN-Sicherheitsrats, für mehr Einfluss Afrikas, Asiens und Lateinamerikas in der Welt und generell für eine stärkere internationale Zusammenarbeit.
Seit der russischen Invasion in der Ukraine sind 19 Monate vergangen, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Es gibt aber Friedensbemühungen vor allem der Länder, die sich als neutral verstehen und Russland nicht mit Sanktionen belegen. Dazu gehören Brasilien, Indien oder auch Saudi-Arabien. Im August trafen sich in der saudischen Hafenstadt Dschidda Vertreter aus mehr als 40 Ländern, um sich über Wege zum Frieden auszutauschen - darunter die USA, EU-Staaten und mit China erstmals auch der wichtigste Verbündete Russlands.
Scholz hat immer wieder vor Diktat-Frieden gewarnt
Scholz sagte zu diesen Bemühungen: "Gerade weil dieser Krieg unerträgliche Folgen rund um den Globus hat, ist es gut und richtig, dass sich die Welt auch an der Suche nach Frieden beteiligt." Der Kanzler hat aber von Anfang an vor einem Diktat-Frieden gegen den Willen der Ukraine gewarnt. Die Ukraine fordert den kompletten Abzug der russischen Truppen von ihrem Territorium inklusive von der ukrainischen Halbinsel Krim, die Russland 2014 annektiert hat.
"Vergessen wir nicht: Russland ist für diesen Krieg verantwortlich. Und es ist Russlands Präsident, der ihn mit einem einzigen Befehl jederzeit beenden kann", betonte Scholz. "Doch damit er das tut, muss er verstehen, dass wir - die Staaten der Vereinten Nationen - es ernst meinen, mit unseren Prinzipien." In einer multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts sei kein Platz mehr für Revisionismus und Imperialismus.
Für "ergebnisoffene Verhandlungen" über UN-Reform
Scholz machte sich erneut für eine Reform des UN-Sicherheitsrats stark. Die UN bildeten die Realität einer multipolaren Welt nicht ausreichend ab, sagte er. "Nirgendwo ist das so augenfällig wie bei der Zusammensetzung des Sicherheitsrats."
Klar sei dass Afrika, Asien und Lateinamerika mehr Gewicht in dem Gremium gebühre. "Unter dieser Prämisse lässt sich über einen Text mit verschiedenen Optionen verhandeln. Solche ergebnisoffenen Verhandlungen sollte kein Land mit Maximalforderungen blockieren. Das tut auch Deutschland nicht", betonte der Kanzler.
Der Sicherheitsrat ist das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen und für Konfliktlösung und Friedenssicherung zuständig. Ihm gehören 15 der 193 UN-Mitgliedstaaten an. Fünf Atommächte sind ständig dabei und haben Vetorecht bei allen Entscheidungen: die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich. Einige der anderen 188 Mitgliedstaaten wechseln sich auf den anderen zehn Sitzen alle zwei Jahre ab.
Sicherheitsrat schon länger handlungsunfähig
Deutschland bewirbt sich alle acht Jahre für einen Sitz, das nächste Mal für 2027/28. Die Bundesregierung erhebt außerdem den Anspruch, bei einer Erweiterung der ständigen Sitze als größte Wirtschaftsmacht Europas berücksichtigt zu werden.
Seit Jahren gilt das Gremium wegen gegenseitiger Blockaden der USA, Chinas und Russlands in zentralen Fragen als weitgehend handlungsunfähig. Über eine grundlegende Reform des Sicherheitsrats wird seit Jahrzehnten diskutiert, ohne dass es Fortschritte gibt.
Er freue sich nun, dass immer mehr Partner - darunter drei der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats - erklärt hätten, in der Reformfrage vorankommen zu wollen, sagte Scholz laut Manuskript in der Vollversammlung. Damit meint Scholz offensichtlich die USA, Großbritannien und Frankreich.