WISMAR (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock hat angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit der Ostseeanrainer hervorgehoben. "Die Sicherheit eines jeden von uns ist die Sicherheit von uns allen - gerade hier in der Ostseeregion", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag zu Beginn eines Außenminister-Treffens des Ostseerats in Wismar in Mecklenburg-Vorpommern. Auch für die Region und insbesondere den Rat sei der Krieg in der Ukraine eine Zeitenwende.
Deutschland hat noch bis Juli den Vorsitz des Ostseerats. Dem 1992 gegründeten Regionalgremium mit Sitz in Stockholm gehören neben Deutschland auch Norwegen, Dänemark, Estland, Finnland, Litauen, Lettland, Polen, Schweden, Island und die EU an.
"Die Ostsee ist unser gemeinsamer Schatz. Beschützen wir also diesen Schatz", sagte Baerbock. Die Region biete enormes Potenzial, um die gegenseitige Sicherheit und Widerstandsfähigkeit zu stärken, betonte die deutsche Außenministerin vor dem Hintergrund des angestrebten Ausbaus der Windenergie auf See.
Bauministerin Geywitz für beschleunigte Energiewende
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) plädierte für eine beschleunigte Energiewende. Diese sei nötig, "um uns unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen". Die Ministerinnen und Minister für Raumordnung der Ostsee-Staaten treffen sich mit Geywitz zeitgleich zu den Außenministern in der Hansestadt. Auch in diesem Kreis spielen die Folgen des Kriegs eine große Rolle.
Baerbock kam in einem deutschen Regierungsflugzeug gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen direkt vom Nato-Außenministertreffen in der norwegischen Hauptstadt Oslo nach Wismar. Sie betonte, man werde darüber sprechen, wie man von Russland ausgehende Spaltungsversuche verhindern und den Lebensraum für künftige Generationen schützen könne. Bei den Beratungen des Ostseerats soll es auch um die Bergung von Munitionsaltlasten aus dem Meer gehen.
Die Mitgliedschaft Russlands im Ostseerat war im März 2022 ausgesetzt worden. Daraufhin erklärte Moskau im Mai 2022 seinen Austritt. Bis zum Angriff auf die Ukraine war der Rat eine der Runden, in denen konkrete Zusammenarbeit bei Fachthemen mit Moskau möglich war.
Bei den Beratungen dürfte auch die Sprengung der Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 eine Rolle spielen. Drei der vier Röhren des deutsch-russischen Energieprojekts waren im September 2022 durch Explosionen zerstört worden. Wer hierfür verantwortlich ist, ist bislang unklar. Konkrete Ergebnisse wurden bei diesem Thema im Ostseerat nicht erwartet.
Munitionsaltlasten in der Ostsee
Baerbock hatte 2022 angekündigt, Deutschland werde sich in seinem Ratsvorsitz besonders den Munitionsaltlasten in der Ostsee aus dem Zweiten Weltkrieg widmen. Neben einer Bedrohung für den Schiffsverkehr könnten diese auch zur Gefahr für Windanlagen werden.
Nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung liegen in der Ostsee bis zu 400 000 Tonnen konventionelle Munition und etwa 40 000 Tonnen chemische Kampfstoffe, die nach den Weltkriegen versenkt wurden. Baerbock und ihre Kolleginnen und Kollegen ließen sich von einem Experten des Instituts zeigen, wie Munitionsaltlasten aufgespürt und beseitigt werden können.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig machte bei einem gemeinsamen Auftritt mit Baerbock deutlich, dass sie sich mehr Tempo bei der Bergung von Alt-Munition wünscht. "Wir müssen zügig gemeinsam mit der Bergung beginnen", sagte die SPD-Politikerin.
Diskussion über den Ausbau von Offshore-Windenergie
Am Abend wollte Baerbock mit ihren Kolleginnen und Kollegen hinter verschlossenen Türen über den Ausbau der erneuerbaren Energien sprechen. "Erneuerbare Energien machen uns unabhängig von Energieimporten und sind unser Trumpf im Kampf gegen die Klimakrise", sagte die Ministerin.
Windkraft auf See ist neben Windkraft an Land und Solarenergie eine zentrale Säule beim Ausbau des Ökostroms in Deutschland. Die Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag die Ausbauziele für die Windenergie auf See im Vergleich zur Vorgängerregierung deutlich erhöht. Statt 20 Gigawatt (GW) bis 2030 und 40 GW bis 2040 sollen es nun 30 GW bis 2030, 40 GW schon bis 2035 und 70 GW bis 2045 werden.