BERLIN (dpa-AFX) - Nach seiner kurzfristigen Ausladung will Finanzminister Christian Lindner eine neue Balance im Verhältnis zu China erreichen. Es gehe um "einen selbstbewussten und realistischen Umgang mit China" und "ein weniger samtpfötiges Auftreten", als es die Vorgängerregierungen an den Tag gelegt hätten, sagte der FDP-Chef im Podcast des Nachrichtenportals "The Pioneer" (Dienstag). "Wir lassen uns unsere liberalen Werte nicht für gute Geschäfte abkaufen."
Das chinesische Finanzministerium hatte am Wochenende laut Bundesfinanzministerium gebeten, die für diesen Mittwoch geplanten Gespräche aus terminlichen Gründen zu verschieben. Bei dem Besuch sollten ursprünglich die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen vorbereitet werden. Das Treffen in Peking soll den Angaben zufolge zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Unklar ist, ob die Absage auch mit dem Verhältnis Chinas zu Lindner und dessen FDP zusammenhängt. Im März war Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nach Taiwan gereist und hatte damit für Unmut in Peking gesorgt. Lindner selbst hatte Chinas Haltung zum russischen Krieg gegen die Ukraine kritisiert und dafür geworben, etwa Menschenrechtsfragen mit China offen anzusprechen.
Außenministerin Annalena Baerbock betonte am Dienstag nach einem Treffen mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang, direkte Kontakte unter den Fachministern seien wichtig - und nannte dabei unter anderem den Finanz- und die Bildungsministerin. Qin Gang sagte laut Übersetzung, Lindner sei in China willkommen. Die Absage sei eine "rein technische Frage" gewesen und solle nicht überinterpretiert werden.
Lindner sagte im "Pioneer"-Podcast, wer nur auf wirtschaftliche Beziehungen setze, verliere ein Stück der zivilisatorischen Mission. "Wer andererseits nur mit Gesinnung argumentiert, wird nichts bewegen. Wir brauchen eine bessere Balance als in der Vergangenheit, als wir zu sehr auf die Wirtschaft geschaut haben." Seine Prioritäten seien klar: "Wenn Werte in Spannung geraten, dann ist der Einsatz für das Völkerrecht zentral." Eine Entkopplung der deutschen Wirtschaft vom chinesischen Markt lehnte er jedoch ab: "Trotz unserer systemischen Rivalität wäre es für unsere wirtschaftliche Entwicklung naiv zu glauben, wir könnten uns einfach abkoppeln.