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HINTERGRUND: Altmaier zwischen allen Stühlen

Veröffentlicht am 14.10.2012, 15:32
BERLIN (dpa-AFX) - Die einstigen Freunde Peter Altmaier und Norbert Röttgen haben sich nicht mehr viel zu sagen. Immer wieder lässt der Bundesumweltminister durchblicken, dass sein Vorgänger die Kosten bei der Förderung erneuerbarer Energien nicht in den Griff bekommen habe. Er will es nun besser machen. Doch ob Altmaier mehr Erfolg als Röttgen haben wird, ist fraglich. Er sitzt zwischen allen Stühlen.

Die auf ein Rekordniveau steigende und von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlende Ökostrom-Umlage sorgt für Nervosität bei Union und FDP. Sie wird an diesem Montag offiziell bekanntgegeben. Zusammen mit anderen Zusatzkosten durch die Energiewende, die der Staat bei den Bürgern ablädt, prophezeien erste Versorger Mehrkosten für einen Durchschnittshaushalt von knapp 100 Euro pro Jahr.

Für den Großteil ist das sicher noch machbar, aber gerade für einkommensschwache Bürger wird das Jahrhundertprojekt zunehmend zu einer Bürde. Dennoch ist eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast beim Strom bisher von der Bundesregierung nicht geplant. Sozialverbände forderten am Wochenende Sondertarife für Bürger mit wenig Geld und Abwrackprämien für stromfressende alte Kühlschränke. Der Vize-Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Christian Bäumler, fordert, dass Versorger für Familien mit Kindern und Geringverdiener ein festes Stromkontingent zu bisherigen Preisen anbieten müssen.

Eigentlich bräuchte es eine rasche Reform, die die Kosten senkt, erneuerbare Energien rascher marktfähig macht und überflüssige oder zu hohe Boni im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) streicht. Aber FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler kann sich auf den Kopf stellen und von Altmaier eine Reform noch vor der Bundestagswahl in einem Jahr fordern. Die Realität ist: Wenn Altmaier den Windkraft-Ausbau deckeln will, muss er gegen starke Lobbyinteressen ankämpfen. Und die ersten Ministerpräsidenten pfeifen ihn schon zurück. Der Föderalismus ist für Altmaier bei dem Projekt Energiewende die schwerste Hürde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wirbt bei den Bürgern um Verständnis für den Rekordanstieg, sie hatte 2011 versprochen, dass die Ökostrom-Förderkosten auf dem heutigen Niveau bleiben sollen, nun steigen sie aber um rund 50 Prozent. Merkel betont, dass die durch die Energiewende bedingte Strompreiserhöhung 'nur halb so groß' sei wie etwa Preissteigerungen beim Heizen mit Gas oder Öl. 'Das eine nehmen wir lautlos hin', wundert sich die Bundeskanzlerin.

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie, rechnet vor, dass dank Ökoenergie 2011 Öl-, Kohle- und Gasimporte in Höhe von 7,1 Milliarden Euro vermieden worden seien. Mit Blick auf die Debatte um die Öko-Umlage meint er: 'Es geht darum, dass EEG sturmreif zu schießen.' Die konventionelle Energiewirtschaft und die FDP wollten die Energiewende ausbremsen. Die Ökostrom-Förderung mache tatsächlich nur die Hälfte der Umlage aus. Albers spricht deshalb von einer 'EEG-Umlüge'. Statt immer mehr Industrie-Subventionen in die Umlage zu packen, müsse die Regierung diese aus dem Bundeshaushalt bezahlen.

Felix Matthes vom Öko-Institut hat errechnet, dass seit 2003 bei Strompreissteigerungen 44 Prozent dem Ökoenergie-Ausbau geschuldet sind. Fast ein Drittel entfällt demnach auf Brennstoffkosten für Öl, Kohle und Gas, 17 Prozent auf Industrie-Rabatte und 10 Prozent auf die EU-Umweltpolitik. Die Energiewende bedeute hohe Wertschöpfung im Land, sagt Matthes. Die Alternative sei, weiterhin viele Milliarden auf die Konten von Ölscheichs und Gasländern zu überweisen.

Fakt ist: Bereits ein Viertel der Stromproduktion wird mit über den Marktpreisen liegenden, auf 20 Jahre garantierten Vergütungen gefördert. 2013 werden bis zu 20 Milliarden Euro ausgeschüttet. Dank des EEG senken Wind und Sonne zwar die Einkaufspreise für Strom massiv. Diese positiven Effekte kommen aber oft gar nicht beim Bürger an, weil sie nicht immer an sie weitergegeben werden.

Röttgen kann ein Lied davon singen, wie schwer EEG-Reformen wegen der Vielzahl an Profiteuren und Interessen sind. Hätten die Länder Röttgens Kürzungsvorschläge bei der Solarförderung nicht über Monate blockiert, hätten wahrscheinlich Milliardensummen bei der Ökostrom-Umlage gespart werden können. Altmaier setzte schließlich durch, dass die Solarförderung nun bei 52 000 Megawatt installierter Leistung auslaufen soll. Dies könnte schon 2014 der Fall sein.

Er betont, beim EEG müsse Gründlichkeit vor Schnellschüssen gehen. Statt ständigem Herumdoktern will er eine Reform, die mal zehn Jahre trägt. Doch ein Hinausschieben könnte die Bürgerbelastungen sogar noch steigern. Denn da nun alle wissen, dass es regionale Quoten und Mengenbegrenzungen geben soll, ist ein Schlussspurt gerade bei der Windkraft nicht ausgeschlossen, um noch Fördergelder zu bekommen. Die Kosten würden dann aber schneller steigen, als derzeit erwartet. Den gleichen Effekt hat es bei der Solarenergie schon einmal gegeben./ir/DP/jsl

--- Von Georg Ismar, dpa ---

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