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Veröffentlicht am 19.10.2012, 20:51
Börsen-Zeitung: Der Dax überrascht, Marktkommentar von Thorsten Kramer

Frankfurt (ots) - Es ist die Zeit der Überraschungen - und die

fallen auf Unternehmensseite im Moment häufig negativ aus. Von den

rund 100 Unternehmen aus dem US-Benchmarkindex S & P 500, die bereits

ihre Quartalsergebnisse veröffentlicht haben, gelang es gerade mal

gut jedem zweiten, die zuvor schon reduzierten Erwartungen der

Analysten zu übertreffen. Am Freitag enttäuschten mit Microsoft und

General Electric zwei sehr renommierte Adressen die Investoren,

nachdem am Vortag schon der Gewinneinbruch von Google Schlagzeilen

produziert hatte. Für die nun in Europa anlaufende Berichtssaison zum

dritten Quartal verheißt das nicht viel Gutes.

Am deutschen Aktienmarkt scheint das allerdings kaum jemanden zu

irritieren. Der Dax beispielsweise tauchte zuletzt maximal bis auf

das Niveau von 7200 Punkten ab, obwohl viele Anlagestrategen schon

seit Wochen eine Konsolidierung prognostizieren. In der nun

abgelaufenen Handelswoche rückte der Index zeitweise sogar bis auf

7448 Punkte vor und erreichte damit den höchsten Stand seit fast

einem Monat. Das ist durchaus als ein Signal zu verstehen, dass die

rückläufige Entwicklung der Firmengewinne bereits weitgehend in den

Aktienkursen enthalten ist. Auf Wochensicht stieg der Dax um 2,1%.

Chance auf starkes Finale

Was vielen vor dem Quartalsbeginn noch als gewagte These galt,

scheint sich somit zu bewahrheiten: Die Aktienindizes haben ganz

offensichtlich die Chance auf ein überraschend starkes Finale des

laufenden Börsenjahres, zumal der Performancedruck für viele

institutionelle Investoren mit jedem Tag wächst. In den vergangenen

Monaten seit Juni sind zwar bereits deutlich mehr als 20 Mrd. Euro

zurück an die Börsen in der Eurozone geflossen, nachdem sich die

Überzeugung durchgesetzt hat, dass die Währungsunion eine Zukunft

hat. Die Ergebnisse der am Dienstag veröffentlichten

Fondsmanagerumfrage von Bank of America/Merrill Lynch zeigen

allerdings, dass die Gewichtung von Aktieninvestments in den

Portfolios der Profis gerade erst das Durchschnittsniveau der

zurückliegenden 34 Monate seit Anfang 2010 erreicht hat. Und viele

Anleger sind nach wie vor sehr deutlich unterinvestiert. Mangels

renditestarker Alternativen dürften in den nächsten Wochen also viele

Investoren dazu gezwungen sein, Aktien zu kaufen.

Das überschaubare Umsatzvolumen an den Börsen belegt derweil, dass

vielen Akteuren beispielsweise angesichts der verhaltenen

Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft die richtige Überzeugung

fehlt. Optimisten finden aber bereits gute Argumente dafür, sich noch

offensiver an den Aktienmärkten zu engagieren. So hat sich die Lage

am Markt für Staatsanleihen nach dem Eingreifen der Europäischen

Zentralbank spürbar beruhigt; die Rendite spanischer Papiere mit

zweijähriger Laufzeit notiert inzwischen unterhalb von 3%, und die

Rendite zehnjähriger Anleihen aus Italien steht unterhalb von 5%.

Hinzu kommt, dass die hohe Nachfrage nach Unternehmensanleihen selbst

die Rendite von Unternehmen mit einem 'BBB'-Rating in der Eurozone im

Schnitt schon auf 3,2% gedrückt hat. Das unterstreicht die

Attraktivität der Dax-Aktien, die es aktuell im Schnitt auf eine

Dividendenrendite von 3,7% bringen.

Die Expansion der Bewertung ist aus Analystensicht zugleich kein

besonderes Risiko: Sie sehen darin vielmehr die Überzeugung der

Anleger, dass die Unternehmen schon bald die Gewinne wieder ausweiten

werden. Wie eine Analyse der Landesbank Baden-Württemberg zeigt,

befindet sich der Dax zum achten Mal in einer Phase mit einem

steigenden Kurs-Gewinn-Verhältnis. Mit aktuell rund 42% falle der

Vorlauf des Dax gegenüber den Gewinnen aber recht verhalten aus,

heißt es darin; der Durchschnittswert beträgt 90%. Auch aus diesem

Blickwinkel besitzt der Markt also weiteres Potenzial.

Spätestens in sechs Wochen, also Anfang Dezember, dürfte jedoch

bei bereits gut investierten Akteuren die Bereitschaft zunehmen, die

seit dem Sommer erzielten Buchgewinne zu realisieren. Eine erneute

leichte Konsolidierung würde dann deshalb kaum überraschen. Sollten

bis dahin weitere positive Signale von der Konjunkturseite vorliegen,

böte das aber bereits eine Chance, sich für einen weiteren

Kursanstieg 2013 zu positionieren.

Originaltext: Börsen-Zeitung

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