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AUSBLICK 2012: Stromnetzausbau drängt - Gesellschaftliche Akzeptanz als Ziel

Veröffentlicht am 07.01.2012, 13:05
Aktualisiert 07.01.2012, 13:08
FRANKFURT (dpa-AFX) - Wenn Arndt Neuhaus vom deutschen Stromnetz spricht, dann stellt sich der Vorstandschef von RWE Deutschland die Netzlandschaft als ein Zelt vor. Für die nötige Stabilität gehörten Zeltstangen hinein, erklärt er. Wenn irgendwo welche fehlten, hänge das Stoffdach durch. Manchmal seien auch zu viele Stangen an einer Stelle. Damit meint er Gegenden, wo viel Strom ins Nest eingespeist wird - etwa an der Küste, wo viele Windparks entstehen. Die durchhängenden Stellen markieren dagegen die erzeugungsarmen Regionen. Etwa in Süddeutschland, wo Kernkraftwerke nach dem Ausstiegsbeschluss nicht oder bald nicht mehr laufen.

Der RWE-Deutschland-Chef hat die Verantwortung für die Stabilität dieses Zeltes, jedenfalls für einen Teil davon. Die Gesellschaft kontrolliert 349 000 Kilometer Verteilnetze in Westdeutschland. Deutschlandweit - alle Spannungsebenen zusammengenommen - gibt es 1,8 Millionen Kilometer Stromnetz. Doch weil die Zeltstangen aus Neuhaus' Modell ungleich verteilt sind, zum Beispiel wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien, gerät die Stabilität des Netzes ins Wanken. 'Die Zahl der Eingriffe hat zugenommen', sagt Neuhaus.

So müssten an stürmischen Tagen mit wenig Energiebedarf wirtschaftlich arbeitende fossile Kraftwerke gedrosselt werden, damit nicht zu viel Strom ins Netz gehe. An sonnen- und windarmen Tage laufe es andersherum. RWE hat der Bundesregierung schon einen Brandbrief geschrieben.

Investitionen von 27 Milliarden Euro in die Verteilnetze sind Experten zufolge in den kommenden zehn Jahren nötig. Ausgaben für den Ausbau der Höchstspannungsleitungen, also die Stromautobahnen des Landes, sind noch nicht mit eingerechnet. Vor allem sind die alten Verteilnetze nicht darauf eingestellt, Strom in beide Richtungen zu befördern. So hätte wohl kaum jemand beim Anschluss eines Bauernhofs an die Stromversorgung vor etlichen Jahren erwartet, dass von dort aus auch einmal Strom aus Sonne-, Wind oder Biomasse zurück ins Netz gespeist werden müsse.

Das Netz ist am Rande seiner Belastbarkeit angekommen, stellt die Bundesnetzagentur in ihrem jüngsten Monitoringbericht fest. Zwar sei die Situation stabil und sicher. Doch die Regulierungsbehörde sorgt sich um die zunehmenden Eingriffe der Betreiber. Da erscheint es wenig förderlich, dass der Ausbau des Netzes deutlich stockt.

Nach Berechnungen der Deutschen Energie-Agentur (Dena) muss allein das Höchstspannungsnetz bis 2020 um 4450 Kilometer ausgebaut werden, vor allem um die erneuerbaren Energien zu integrieren. Bis zum vergangenen Jahr wurden aber erst 90 Kilometer realisiert. Sogar bei den nach gesetzlichen Vorgaben beschleunigt umzusetzenden 24 Ausbauprojekten gibt es bei jedem zweiten Verzögerungen.

Ein wichtiger Grund dafür - vor allem im Höchstspannungsbereich - sind die langwierige behördliche Genehmigungsverfahren, auch wegen des Widerstands in der Bevölkerung. 'Der alles limitierende Faktor ist die Akzeptanz in der Gesellschaft', sagt Neuhaus' Vorstandskollege Joachim Schneider. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, warnte im Herbst: 'Sollten sich alle Bürgerproteste gegen den Bau neuer Stromtrassen durchsetzen, können sie die Energiewende zu den Akten legen.' Es sei ein Widerspruch in sich, für die Abschaltung von Atomkraftwerken und gleichzeitig gegen den Ausbau des Stromnetzes zu sein. Die Behörde will daher stärker in den Dialog mit den Bürgern treten.

Um den Ausbau zu beschleunigen, will die Regulierungsbehörde dem Gesetzgeber voraussichtlich bis Anfang 2013 einen sogenannten Netzentwicklungsplan als Grundlage für einen Bundesbedarfsplan für den überregionalen Netzausbau vorlegen. Ziel ist es unter anderem, die energiewirtschaftliche Notwendigkeit von neuen Trassen von Anfang an zu klären, um später immer wieder neue Prüfverfahren zu verhindern. Im Anschluss daran sollen geeignete Trassenkorridore ermittelt und dann der exakte Verlauf der Leitungen bestimmt werden. Etwa 2016 könnte mit dem Bau neuer Leitungen begonnen werden. Bestimmte Zuständigkeiten gehen von den Landesbehörden auf die Bundesnetzagentur über. So will die Regulierungsbehörde Genehmigungs- und Bauzeiten von 10 bis 15 Jahren auf 5 Jahre verkürzen./nmu/stk

---Von Nadine Murphy, dpa-AFX---

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