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Veröffentlicht am 16.07.2012, 20:57
Börsen-Zeitung: Wahrheit nur häppchenweise, Kommentar zu den neuen

Sparplänen Spaniens, von Angelika Engler.

Frankfurt (ots) - Netter kann eine Überraschung am Wochenende bei

35 Grad Hitze wohl kaum sein: Die neue Sparrunde der spanischen

Regierung geht der ohnehin rezessionsgeplagten Privatwirtschaft noch

viel härter an den Kragen als bisher befürchtet. Der Staatsapparat

mit seinen kostspieligen und teils ineffizienten Strukturen bleibt

indes weitgehend verschont.

Was weder der konservative Regierungschef Mariano Rajoy noch seine

Minister zu sagen wagten, brachten ein nur auf Englisch gehaltenes

Dokument des Wirtschaftsministeriums und der Staatsanzeiger Boletín

Oficial del Estado (BOE) mit dem Kleingedruckten ans Tageslicht: 60%

der bis Ende 2014 einzusparenden Summe wird Spanien - zumindest

theoretisch - über höhere Steuern eintreiben.

Die übrigen 40% sollen Einschnitte bei den Staatsausgaben

einbringen. Doch wer trägt dort die größte Last? Die Empfänger von

Arbeitslosengeld und nicht etwa die derzeit heftig wegen des

gestrichenen Weihnachtsgeldes protestierenden Beamten und

Angestellten des öffentlichen Dienstes.

Das Schönste an der ganzen Geschichte: Rajoys Regierung hat bisher

nur 56,4 Mrd. der 65 Mrd. Euro abgesichert, die zum Erreichen des

Defizitziels von 2,8% Ende 2014 nötig sein werden. Das heißt: Für 8,6

Mrd. Euro müssen nun noch melkfähige Kandidaten her.

Am kräftigsten rieben sich aber wohl die Unternehmen und die

Selbständigen am Wochenende die Augen. Sie werden mit höheren Steuern

zur Kasse gebeten. Das wird die im Jahr 2012 um etwa 1,7%

schrumpfende Wirtschaft zusätzlich belasten, nachdem Rajoy ja schon

auf Geheiß von Europäischer Kommission und Internationalem

Währungsfonds (IWF) fatalerweise die Mehrwertsteuer erhöhen musste.

Wo aber war Brüssel, als es darum ging, die Sparmaßnahmen sozial

ausgewogen zu gestalten und vor allem auch die nach wie vor

herrschende Verschwendungssucht in den 17 Autonomen Regionen zu

stoppen? Spaniens neues Sparpaket beweist, dass die EU-Kommission bei

weitem nicht alles diktiert. Es legt aber auch die Unfähigkeit der

konservativen Regierung offen, solch harte und zugleich nötige

Einschnitte transparent und ehrlich den Spaniern mitzuteilen.

Rajoys Team war nach der desaströsen Krisenpolitik der Sozialisten

so hoffnungsvoll gestartet. Doch diese Art von nur häppchenweise

offenbarter Wahrheit könnte den Zorn in der Bevölkerung - besonders

bei denen, die am meisten unter dem Sparkurs leiden - erst recht

entfachen.

(Börsen-Zeitung, 17.7.2012)

Originaltext: Börsen-Zeitung

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