Börsen-Zeitung: Wahrheit nur häppchenweise, Kommentar zu den neuen
Sparplänen Spaniens, von Angelika Engler.
Frankfurt (ots) - Netter kann eine Überraschung am Wochenende bei
35 Grad Hitze wohl kaum sein: Die neue Sparrunde der spanischen
Regierung geht der ohnehin rezessionsgeplagten Privatwirtschaft noch
viel härter an den Kragen als bisher befürchtet. Der Staatsapparat
mit seinen kostspieligen und teils ineffizienten Strukturen bleibt
indes weitgehend verschont.
Was weder der konservative Regierungschef Mariano Rajoy noch seine
Minister zu sagen wagten, brachten ein nur auf Englisch gehaltenes
Dokument des Wirtschaftsministeriums und der Staatsanzeiger Boletín
Oficial del Estado (BOE) mit dem Kleingedruckten ans Tageslicht: 60%
der bis Ende 2014 einzusparenden Summe wird Spanien - zumindest
theoretisch - über höhere Steuern eintreiben.
Die übrigen 40% sollen Einschnitte bei den Staatsausgaben
einbringen. Doch wer trägt dort die größte Last? Die Empfänger von
Arbeitslosengeld und nicht etwa die derzeit heftig wegen des
gestrichenen Weihnachtsgeldes protestierenden Beamten und
Angestellten des öffentlichen Dienstes.
Das Schönste an der ganzen Geschichte: Rajoys Regierung hat bisher
nur 56,4 Mrd. der 65 Mrd. Euro abgesichert, die zum Erreichen des
Defizitziels von 2,8% Ende 2014 nötig sein werden. Das heißt: Für 8,6
Mrd. Euro müssen nun noch melkfähige Kandidaten her.
Am kräftigsten rieben sich aber wohl die Unternehmen und die
Selbständigen am Wochenende die Augen. Sie werden mit höheren Steuern
zur Kasse gebeten. Das wird die im Jahr 2012 um etwa 1,7%
schrumpfende Wirtschaft zusätzlich belasten, nachdem Rajoy ja schon
auf Geheiß von Europäischer Kommission und Internationalem
Währungsfonds (IWF) fatalerweise die Mehrwertsteuer erhöhen musste.
Wo aber war Brüssel, als es darum ging, die Sparmaßnahmen sozial
ausgewogen zu gestalten und vor allem auch die nach wie vor
herrschende Verschwendungssucht in den 17 Autonomen Regionen zu
stoppen? Spaniens neues Sparpaket beweist, dass die EU-Kommission bei
weitem nicht alles diktiert. Es legt aber auch die Unfähigkeit der
konservativen Regierung offen, solch harte und zugleich nötige
Einschnitte transparent und ehrlich den Spaniern mitzuteilen.
Rajoys Team war nach der desaströsen Krisenpolitik der Sozialisten
so hoffnungsvoll gestartet. Doch diese Art von nur häppchenweise
offenbarter Wahrheit könnte den Zorn in der Bevölkerung - besonders
bei denen, die am meisten unter dem Sparkurs leiden - erst recht
entfachen.
(Börsen-Zeitung, 17.7.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Börsen-Zeitung
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Telefon: 069--2732-0
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Sparplänen Spaniens, von Angelika Engler.
Frankfurt (ots) - Netter kann eine Überraschung am Wochenende bei
35 Grad Hitze wohl kaum sein: Die neue Sparrunde der spanischen
Regierung geht der ohnehin rezessionsgeplagten Privatwirtschaft noch
viel härter an den Kragen als bisher befürchtet. Der Staatsapparat
mit seinen kostspieligen und teils ineffizienten Strukturen bleibt
indes weitgehend verschont.
Was weder der konservative Regierungschef Mariano Rajoy noch seine
Minister zu sagen wagten, brachten ein nur auf Englisch gehaltenes
Dokument des Wirtschaftsministeriums und der Staatsanzeiger Boletín
Oficial del Estado (BOE) mit dem Kleingedruckten ans Tageslicht: 60%
der bis Ende 2014 einzusparenden Summe wird Spanien - zumindest
theoretisch - über höhere Steuern eintreiben.
Die übrigen 40% sollen Einschnitte bei den Staatsausgaben
einbringen. Doch wer trägt dort die größte Last? Die Empfänger von
Arbeitslosengeld und nicht etwa die derzeit heftig wegen des
gestrichenen Weihnachtsgeldes protestierenden Beamten und
Angestellten des öffentlichen Dienstes.
Das Schönste an der ganzen Geschichte: Rajoys Regierung hat bisher
nur 56,4 Mrd. der 65 Mrd. Euro abgesichert, die zum Erreichen des
Defizitziels von 2,8% Ende 2014 nötig sein werden. Das heißt: Für 8,6
Mrd. Euro müssen nun noch melkfähige Kandidaten her.
Am kräftigsten rieben sich aber wohl die Unternehmen und die
Selbständigen am Wochenende die Augen. Sie werden mit höheren Steuern
zur Kasse gebeten. Das wird die im Jahr 2012 um etwa 1,7%
schrumpfende Wirtschaft zusätzlich belasten, nachdem Rajoy ja schon
auf Geheiß von Europäischer Kommission und Internationalem
Währungsfonds (IWF) fatalerweise die Mehrwertsteuer erhöhen musste.
Wo aber war Brüssel, als es darum ging, die Sparmaßnahmen sozial
ausgewogen zu gestalten und vor allem auch die nach wie vor
herrschende Verschwendungssucht in den 17 Autonomen Regionen zu
stoppen? Spaniens neues Sparpaket beweist, dass die EU-Kommission bei
weitem nicht alles diktiert. Es legt aber auch die Unfähigkeit der
konservativen Regierung offen, solch harte und zugleich nötige
Einschnitte transparent und ehrlich den Spaniern mitzuteilen.
Rajoys Team war nach der desaströsen Krisenpolitik der Sozialisten
so hoffnungsvoll gestartet. Doch diese Art von nur häppchenweise
offenbarter Wahrheit könnte den Zorn in der Bevölkerung - besonders
bei denen, die am meisten unter dem Sparkurs leiden - erst recht
entfachen.
(Börsen-Zeitung, 17.7.2012)
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