Brüssel, 05. Apr (Reuters) - In der Europäischen Union dürfen Straftäter nicht automatisch an ein anderes Mitgliedsland ausgeliefert werden, wenn ihnen dort unmenschliche Haftbedingungen drohen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied am Dienstag, dass die Vollstreckung des europäischen Haftbefehls dann für eine "angemessene Zeit" aufgeschoben werden muss, ohne das dies konkreter gefasst wird. Sollte die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auch danach nicht ausgeschlossen werden können, kann die zuständige Behörde darüber entscheiden, ob sie die Auslieferung des Straftäters an ein anderes Land weiter verfolgen will. (Az: C-404/15 und C-659/15)
Der EuGH reagierte mit dem Urteil auf eine Anfrage des Oberlandesgerichts Bremen. Die Richter aus der Hansestadt wollten wissen, ob ein Ungar und ein Rumäne auf Grundlage des europäischen Haftbefehls tatsächlich in ihre Heimatländer ausgeliefert werden müssen, wenn die Bedingungen in den dortigen Gefängnissen gegen die Grundrechte der EU zu verstoßen drohen. Die Bremer bezogen sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der Rumänien und Ungarn bereits vorgeworfen hatte, wegen der Überbelegung in den Haftanstalten diese Grundrechte nicht eingehalten zu haben. Nun müssen die deutschen Behörden nach einer Frist erneut entscheiden, ob sie die beiden Männer weiter überstellen wollen.
Der europäische Haftbefehl war 2002 eingeführt worden und soll die Auslieferung von Personen beschleunigen, die in einem anderen EU-Land eine schwere Straftat begangen haben. Das Verfahren soll beispielsweise auch bei der Überstellung von Salah Abdeslam von Belgien nach Frankreich greifen, der als Hauptverdächtiger der Anschläge von Paris gilt.