GOA (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die Rüstungsexporte nach Indien trotz der viel kritisierten Menschenrechtslage in dem südasiatischen Land und seiner Konflikte mit Pakistan und China ausweiten. Er begründete das zum Abschluss seiner dreitägigen Indien-Reise damit, dass er "die Souveränität und Unabhängigkeit" der Atommacht stärken wolle. "Das kann eben auch bedeuten, dass wir ihnen im Rahmen unserer Rüstungskooperation helfen. Ich halte das für eine richtige Entwicklung pragmatischer Politik." Die Rüstungskooperation mit Indien werde "in der Zukunft eine größere Rolle spielen, und das ist richtig so".
Zum Abschluss seiner Indien-Reise besuchte Scholz am Samstag Soldaten auf dem Versorgungsschiff "Frankfurt am Main" der Deutschen Marine, das derzeit zusammen mit der Fregatte "Baden-Württemberg" im Indopazifik unterwegs ist.
Indien ist größter Waffenimporteur der Welt
Indien ist nach der aktuellen Statistik des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri der größte Rüstungsimporteur der Welt. In den Jahren 2019 bis 2023 lag der Anteil des Landes an allen Waffenimporten weltweit bei 9,8 Prozent. Den Großteil der militärischen Ausrüstung bezog die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt mit 36 Prozent weiterhin aus Russland, auch wenn die Tendenz stark rückläufig ist. In den Jahren 2009 bis 2013 waren es noch 76 Prozent.
Deutschland will als fünftgrößter Rüstungsexporteur der Welt dazu beitragen, dass der russische Anteil an den indischen Importen weiter schrumpft. Scholz sagte zwar, dass es bei seinem Besuch keine konkreten Vereinbarungen gegeben habe. Aber die politische Grundlage für eine engere Zusammenarbeit in diesem Bereich sei gelegt und deutsche Unternehmen führten derzeit Verhandlungen über verschiedene Projekte. Über diese Entwicklung sei er "sehr froh".
Im ersten Halbjahr 2024 lag Indien mit genehmigten deutschen Rüstungsexporten für 153,75 Millionen Euro in der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer auf Platz 4.
Sechs U-Boote für die indische Marine
Beim Ausbau der Kooperation geht es derzeit konkret um mehrere Großprojekte. Thyssenkrupp (ETR:TKAG) Marine Systems möchte am Bau von sechs U-Booten für die indische Marine mitwirken. Es gibt dazu schon eine Absichtserklärung aus dem vergangenen Jahr, aber noch keine Entscheidung der indischen Regierung. Außerdem würde Airbus (EPA:AIR) gerne militärische Transportflugzeuge vom Typ A400M nach Indien verkaufen, da sind die Kontakte aber noch ganz am Anfang.
Vor einem Jahr hat die Bundesregierung zudem eine deutsche Beteiligung am Bau indischer Kampfpanzer genehmigt. Im September 2023 teilte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem Bundestag in einem Schreiben mit, dass zwei Dieselmotoren der Marke MTU (ETR:MTXGn) für Prototypen eines leichten Panzers geliefert werden dürfen, den Indien für den Einsatz in den Gebirgsregionen an den Grenzen zu den beiden Atommächten Pakistan und China entwickelt. Den Exportantrag hatte Rolls-Royce (LON:RR) Solutions Friedrichshafen gestellt. Auch vier weiteren Unternehmen wurden Ausfuhrgenehmigungen für Motorenteile, Fertigungsunterlagen und ein Kühlsystem erteilt.
Konflikte mit den Atommächten China und Pakistan
Mit China hat Indien seit 60 Jahren einen Konflikt um mehrere Gebiete entlang der fast 4.000 Kilometer langen Grenze. Die Beziehungen der beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt sind besonders seit einer Auseinandersetzung zwischen Grenzsoldaten mit Toten auf beiden Seiten vor vier Jahren sehr angespannt. Seither haben beide Länder an der Grenze deutlich aufgerüstet.
Mit Pakistan streitet sich Indien seit mehr als 70 Jahren um die von beiden Staaten teilweise kontrollierte Region Kaschmir, um die bereits Kriege mit Zehntausenden Toten geführt wurden.
Die deutschen Rüstungsexporte nach Indien sind aber auch wegen der Menschenrechtslage in dem Land umstritten. Amnesty International beklagt unter anderem Repressionen gegen religiöse Minderheiten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
Scholz dankt deutschen Soldaten im Indopazifik
Deutschland hat mit Indien seit mehr als 20 Jahren eine strategische Partnerschaft. Dazu gehören auch der Besuch der beiden Schiffe der Deutschen Marine im Hafen Mormugao im Bundesstaat Goa und gemeinsame Manöver mit der indischen Marine.
Bei seinem Besuch des Versorgungsschiffs dankte Scholz den Soldaten. Sie trügen dazu bei, die Freiheit der Seeschifffahrt zu gewährleisten, sagte er. "Es ist wichtig, dass sich unsere Marine daran beteiligt."
Die beiden Schiffe sind am 7. Mai in Wilhelmshaven aufgebrochen und haben den Atlantik durchquert, um dann durch den Panamakanal in den Pazifik zu gelangen. Zuletzt fuhren sie trotz chinesischer Warnungen durch die Straße von Taiwan und übten in den letzten Tagen gemeinsam mit Schiffen der indischen Marine.