- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Wenn Horst Seehofer sich ganz oder auch nur teilweise von seinen bisherigen Ämtern zurückzieht, wird das auch die Arbeit der Bundesregierung verändern.
CDU, CSU und SPD werden sich nach Einschätzung aus Koalitionskreisen auf drei Ebenen mit den Folgen beschäftigen müssen: Was bedeutet dies für die Abstimmung im Koalitionsausschuss? Wer würde Nachfolger als Innenminister? Und muss möglicherweise über einen neuen Ressortzuschnitt gesprochen werden?
KOALITIONSAUSSCHUSS
Seehofer hatte schon früher einmal seinen Rückzug von der CSU-Spitze angekündigt und dies dann wieder revidiert. Aber diesmal ist die Situation nach Angaben von CSU-Politikern anders. Der Druck ist nach den letzten Unions-Querelen, den schlechten Wahlergebnissen auch der CSU und der Maaßen-Affäre stark, dass er den Weg freimachen soll. Deshalb wird noch über den genauen Zeitpunkt gerätselt, nicht aber über seinen Abschied. Derzeit gilt es als sehr wahrscheinlich, dass der neue CSU-Chef nicht in Berlin und nicht im Kabinett sitzen wird - und das verändert die Zusammenarbeit im Koalitionsausschuss. Nach Angaben aus Koalitionskreisen wird eine Veränderung vor allem erwartet, wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Parteichef wird. Bisher hat sich Söder vor allem durch eine starke Ablehnung "Berlins" ausgezeichnet. Auch CDU-Länderchefs kritisierten, dass der Bayer (DE:BAYGN) nicht einmal Interessen am Bundesrat oder Ministerpräsidentenkonferenzen zeige.
Das bisherige Desinteresse Söders könnte zum Problem werden, weil die Spitzen der großen Koalition eigentlich eine sehr viel engere Abstimmung - und damit auch mehr Koalitionsausschüsse - verabredet hatten. Aus heutiger Sicht, so heißt es in der Union, wäre völlig unklar, wie schwierig die Abstimmung mit einem Koalitionspartner CSU wäre, dessen Machtzentrum künftig wieder eindeutig in München sitzen würde. Zumindest organisatorisch könnte es übrigens auch ein Problem werden, falls CSU-Vize Manfred Weber an die Spitze der CSU rücken sollte: Er gilt zwar als moderater als Söder und damit kompatibler zu CDU und SPD. Aber weil er auf europäischer Ebene unterwegs ist, sich bis zu den Europawahlen im Mai im Wahlkampf befindet und danach möglicherweise sogar EU-Kommissionspräsident wird, dürfte es schon schwierig werden, überhaupt gemeinsame Termine zu finden.
WER WÜRDE NEUER INNENMINISTER?
Die Spekulationsmaschine läuft heiß, ob Seehofer Innenminister bleiben kann, wenn er den CSU-Vorsitz abgibt - oder ob die CSU ihn dann nicht als Minister in den Ruhestand schicken würde. Das würde die Nachfolgefrage aufwerfen. Als einer der aussichtsreichsten Kandidaten gilt dabei CSU-Politiker Joachim Herrmann, der am Montag gerade in seinem Amt als bayerischer Innenminister bestätigt wurde. Er gilt als "koalitionskompatibel" und profilierter Innenpolitiker. Aber der 62-Jährige hat selbst betont, er wolle Bayern nicht verlassen, da er sich dem Votum der Bürger bei der Landtagswahl verpflichtet sehe. Ein Wechsel nach Berlin wäre ein Risiko für ihn, weil er kein Bundestagsmandat hat. Im Falle eines Scheiterns der großen Koalition und Neuwahlen stünde er ohne Amt da.
Landesgruppenchef Alexander Dobrindt besitzt zwar als früherer Verkehrsminister Regierungserfahrung, ist aber kein Jurist und hat vor allem immer wieder durchscheinen lassen, wie gut ihm die sehr einflussreiche Rolle an der Spitze der CSU-Abgeordneten im Bundestag gefällt. Das sichert ihm auch einen Platz im Koalitionsausschuss. Auch Seehofer ist kein Jurist, hat aber lange Verwaltungserfahrung in Bayern gesammelt. Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer, der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium ist, wiederum gilt zwar als profilierter Innenpolitiker, aber in Koalitionskreisen werden Zweifel angemeldet, dass er das Riesen-Ministerium führen könnte.
MINISTERIUMS-ZUSCHNITT
Das führt zum dritten Problem für die große Koalition. Denn das Innenministerium in seiner jetzigen Form existiert nur, weil Seehofer in den Koalitionsverhandlungen eine Zuständigkeit nach der anderen in das Ressort packte. Das Innenministerium ist etwa auch für den wichtigen Bereich "Bauen" zuständig, der von Union und SPD als eine der zentralen sozialen Fragen angesehen wird. Dazu kommt die neue Abteilung "Heimat". Schon bei dem erfahrenen Minister Seehofer gab es innerhalb der Koalition immer wieder Vorwürfe, dass das Haus eigentlich zu groß und unsteuerbar sei.
Die große Koalition könnte also überlegen, ob sie den Zuschnitt nicht bei einem Abgang Seehofers wieder ändert. Dafür gäbe es zumindest eine "kleine" Lösung - indem man etwa den Baubereich wieder dem Verkehrsministerium von Andreas Scheuer zuschlagen würde. Der Vorteil: Es handelt sich um zwei CSU-geführte Häuser, CDU und SPD müssten also nicht eine neue Balance der Zuständigkeiten zwischen den Parteien aushandeln.