KARLSRUHE (dpa-AFX) - Es geht um 500 Euro als Ausgleich für verspätete Urlaubsflüge: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am Donnerstag mit den Ansprüchen von Flugreisenden auf Entschädigung beschäftigt. Die beklagte Fluggesellschaft spricht von höherer Gewalt wegen eines Streiks - und die Branche hofft, dass Brüssel die ungeliebte Regelung für Ausgleichszahlungen bei verspäteten Flügen bald lockert. Ein Urteil wurde für den Nachmittag erwartet.
In Karslruhe wollen zwei unterschiedliche Kläger eine Ausgleichszahlung von der Fluggesellschaft TUIfly erstreiten, weil ihre Urlaubsflüge auf die Balearen mehr als drei Stunden Verspätung hatten. Die beiden Vorinstanzen in Hannover hatten die Klage unter Hinweis auf die "außergewöhnlichen Umstände" abgewiesen - dann kann laut EU-Regelung kein Ausgleich verlangt werden.
"Das war schon eine große Belastung, über drei Stunden auf dem Flughafen festzusitzen", sagte der Anwalt einer dreiköpfigen Familie aus dem hessischen Seligenstadt, Holger Hopperdietzel, der Nachrichtenagentur dpa. Grund dafür war der vorangegangene Flug ihrer Maschine nach Griechenland, wo es wegen eines Streiks zu den Verspätungen kam. Er hatte die Familie vor dem Gang nach Karlsruhe vertreten.
In der Verhandlung argumentierten die BGH-Anwälte der Kläger, dass die Gesellschaft für einen solchen Fall eine Ersatzmaschine hätte bereithalten müssen. Das beklagte Unternehmen TUIfly hätte dann die Folgen des Streiks beherrschen können, sagte Rechtsanwalt Joachim Kummer und fügte hinzu: "Es ist für Fluggäste unzumutbar, wenn eine Gesellschaft über 24 Flugzeuge verfügt und alle 24 im Flugbetrieb sind und überhaupt kein Flugzeug als Reserve vorgehalten wird."
Wenn dies zwingend verlangt würde, müssten die Preise von Pauschalreisen drastisch steigen, sagte der Anwalt der TUIfly, Hans-Eike Keller. Wenn sich das dann kein Reisender mehr leisten könne, "kann das auch nicht der Sinn des Verbraucherschutzes sein". Die Bereithaltung von Ersatzmaschinen würde den Betrieb der Gesellschaft so sehr verteuern, dass dies wirtschaftlich nicht mehr tragbar wäre.
Der Vorsitzende Richter des X. Zivilsenats, Peter Meier-Beck, sagte, es sei schwierig, rechtliche Kriterien für die Forderung nach solchen Überkapazitäten zu entwickeln. Alle Unternehmen der Branche versuchten, ihre Kosten zu drücken, sagte Meier-Beck und stellte die rhetorische Frage: "Können wir von Rechts wegen sagen, wir meinen, der Markt müsste anders sein?".
Auf Druck der Fluggesellschaften wollen die EU-Verkehrsminister die EU-Verordnung von 2005 ändern, wonach ab einer Verspätung von drei Stunden eine Entschädigung fällig wird. Künftig soll es nach einem Vorschlag der EU-Kommission erst ab einer Verspätung von fünf Stunden einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung geben. Bislang konnten sich die Verkehrsminister aber nicht einigen. Verbraucherschützer lehnen eine Änderung zulasten der Flugpassagiere ab.tb