Berlin (Reuters) - In der geschäftsführenden Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft wird kontrovers über eine Reform der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion diskutiert.
In einem internen Papier bewertet das SPD-geführte Wirtschaftsministerium die Reformvorschläge der EU-Kommission positiver als Finanzminister Peter Altmaier, wie das "Handelsblatt" am Donnerstag berichtete. Das Haus von Ministerin Brigitte Zypries (SPD) plädiere für einen Euro-Finanzminister, ein Euro-Zonen-Budget und eine Reform des Stabilitätspaktes. Auch der Privatbanken-Verband BdB sprach sich für einen Euro-Finanzminister aus. Der Verband befürwortet zugleich einen Europäischen Währungsfonds, der auch die Haushalte der EU-Mitgliedsländer kontrollieren und überwachen soll.
Die Experten des Wirtschaftsministeriums forderten dem Zeitungsbericht zufolge eine "kluge Kombination aus marktorientierten Reformen und jenen Ansätzen, die eine stärkere Risikoteilung und mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten der Euro-Zone beinhalten". Das Ministerium sprach allerdings von einem "älteren" Arbeitspapier. Gefordert wird daneben ein Europäischer Stabilitätsmechanismus, um Euroländer "in konjunkturellen Schwächephasen und Krisen zu unterstützen". Langfristig könne ein solcher Fonds in ein Euro-Zonen-Budget weiterentwickelt werden. "Die Aufsicht über ein Euro-Zonen-Budget sollte einem europäischen Finanzminister übertragen werden", hieß es. Der geschäftsführende Finanzminister Altmaier (CDU) hatte zuvor zurückhaltend auf ähnliche Vorschläge aus Brüssel reagiert.
Für den Bankenverband sei ein echter europäischer Binnenmarkt für Banken und Finanzdienstleistungen wichtig, allein schon, weil ein "Umdenken in der Regulatorik" in den USA die dortigen Banken und Finanzmärkte noch attraktiver mache, sagte das Mitglied der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes Christian Ossig. Beim Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM zum Währungsfonds sollte dieser "mit einer klaren Kompetenz für die laufende Haushaltskontrolle" der Mitgliedsstaaten versehen werden. Ossig plädierte zudem für zwei neue Finanztöpfe im Euroraum, "die der Euro-Finanzminister verwalten soll". Der eine Fonds sollte einzelnen Ländern in Ausnahmesituationen helfen, der andere Anreize für schwierige nationale Wirtschaftsreformen setzen.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher hält als Basis für eine Reform der Eurozone zuvor einen deutsch-französischen Pakt für nötig. Auch er befürwortet einen Hilfsmechanismus, der bei besonderen Herausforderungen Euro-Mitglieder unterstützen soll.