- von Sabine Siebold
New York (Reuters) - Bundesaußenminister Heiko Maas war erst wenige Minuten im Amt, als er eine klare Marschrichtung ausgab: Deutschland werde seiner wachsenden Verantwortung in der Welt gerecht werden und sich auch bei heiklen Themen nicht wegducken, versprach er in seiner Antrittsrede als Chefdiplomat.
Dass die deutsche Außenpolitik mit den westlichen Militärangriffen in Syrien allerdings gar so schnell auf die Probe gestellt würde, hätte er wohl nicht erwartet. Seither muss sich die Bundesregierung gegen Vorwürfe von beiden Seiten rechtfertigen. Einigen geht schon die verbale Unterstützung der Militärschläge zu weit, andere hätten sich im Gegenteil eine Beteiligung der Bundeswehr gewünscht. Für Maas wird es damit am Dienstag in New York nicht einfacher, für einen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den Jahren 2019 und 2020 zu werben.
Schon 2011, als die Deutschen das letzte Mal für zwei Jahre in den Sicherheitsrat einzogen, platzte ihnen eine westliche Militäraktion mitten in ihre UN-Ambitionen. Damals sorgte Deutschland mit seiner Enthaltung in der Abstimmung über den Kriegseinsatz in Libyen für Aufruhr. Die Bundesregierung mit dem damaligen Außenminister Guido Westerwelle isolierte sich damit im Kreis der Nato-Verbündeten und stellte sich an die Seite Russlands und Chinas, die sich ebenfalls enthielten. Einige Alliierte waren so erzürnt, dass sie sich sogar öffentlich über die Unzuverlässigkeit der Deutschen empörten. Noch heute wird den Deutschen ihre damalige Positionierung gern vorgehalten, obwohl der Militäreinsatz gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi längst nicht mehr als großer Erfolg gilt und die westliche Gemeinschaft ziemlich ratlos ist, wie sie den seither tobenden Bürgerkrieg befrieden soll.
Im Falle der Angriffe auf Syrien wählte die Bundesregierung den Mittelweg. Sie stellte sich klar hinter die Militäraktion, beteiligte sich daran aber nicht. Kritiker bemängeln dies als halbherzig. Auch der militärische Beitrag Frankreichs und Großbritanniens sei schließlich recht begrenzt und damit eher symbolisch gewesen, argumentieren sie. Eine solche Beteiligung hätte die Bundeswehr mit Tornado-Jets und Marschflugkörpern auch stemmen können. Was völkerrechtliche Zweifel angeht, wird auf den Kosovo-Krieg verwiesen, der 1999 als humanitäre Intervention legitimiert wurde und an dem sich Deutschland beteiligte.
IMMER MEHR UN-SKEPTIKER RÜCKEN IN DIE US-REGIERUNG
Ob die militärische Zurückhaltung in Syrien Deutschland bei seiner Bewerbung um den Sitz im Sicherheitsrat tatsächlich schaden wird, ist offen. Militärisch ist das wichtigste Gremium der UN, das allein bewaffnete Einsätze genehmigen kann, wegen des Streits mit Russland und dessen Veto-Rechts ohnehin seit langem blockiert. Auf der zivilen Seite der Konfliktbewältigung hat Deutschland dagegen durchaus Erfolge vorzuweisen: Es war maßgeblich an der Aushandlung des Atomabkommens mit dem Iran beteiligt, die Initiative zu den Waffenstillstandsverhandlungen für die Ostukraine ging ebenfalls von Berlin aus.
Auch das liebe Geld könnte eine Geld spielen. Maas erinnerte bereits bei seinem ersten Besuch in New York daran, dass Deutschland viertgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen und weltweit zweitgrößter Geber humanitärer Hilfe sei. Die USA dagegen fahren ihre Zuwendungen zurück, wenngleich sie noch immer mit Abstand größter Beitragszahler sind. Hinzu kommt, dass nicht nur US-Präsident Donald Trump den Vereinten Nationen skeptisch gegenübersteht und sie damit schwächt. Sein neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton gilt als absoluter Hardliner, der vor allem auf militärische Stärke setzt. Kritiker werfen ihm vor, das Völkerrecht zu verachten. Keine guten Vorzeichen für eine starke Rolle der USA in den UN also.
Zugleich ist klar, dass die anstehenden Aufgaben in Syrien wohl nicht militärischer, sondern eher ziviler Natur sein werden. Dank Russlands Hilfe hat Präsident Baschar al-Assad das Land fast wieder unter Kontrolle, irgendwann wird es also um den Wiederaufbau Syriens gehen. Russland dürfte dann ein großes Interesse an einer finanziellen Beteiligung des Westens haben. Auch darauf gründen sich die Hoffnungen, die Regierung in Moskau zur Mitarbeit an einer politischen Lösung für Syrien und einer Ablösung Assads bewegen zu können. Schon jetzt ist Deutschland, das traditionell den engsten Draht zu Russland hat, wieder als Vermittler gefragt. Um die Mammutaufgabe in Syrien zu stemmen, könnte sich die Verbindung zwischen Berlin und Moskau womöglich auch im Sicherheitsrat positiv auswirken. Ob Deutschland dort einen Sitz erhält, wird sich bei der Abstimmung im Juni zeigen.