Berlin/Peking/New York (Reuters) - Angesichts des von den USA angezettelten Zollstreits schlägt die Welthandelsorganisation WTO Alarm und sucht den Schulterschluss mit Deutschland.
WTO-Chef Roberto Azevedo appellierte am Dienstag in Berlin an Bundesregierung und Industrie, ihn zu unterstützen. "Meine Botschaft heute ist: Lasst uns zusammenarbeiten in der Stärkung des globalen Handelssystems, auch zum Wohle Deutschlands", so der Brasilianer.
Die WTO gilt als Hüter des Freihandels. Doch US-Präsident Donald Trump sieht sein Land von der WTO schlecht behandelt und hat sogar mit einem Austritt gedroht. Azevedo warnte insbesondere mit Blick auf den Zollstreit zwischen den USA und China vor einem Handelskrieg, der Wachstum und Jobs kosten könne. Die internationale Zusammenarbeit leide bereits unter dem Konflikt der größten Handelsmächte: "Das macht mir sehr große Sorgen." Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte Azevedo Hilfe zu und warnte zugleich vor einer Erosion des internationalen Handelssystems. Die WTO stehe vor "riesigen Herausforderungen".
Wichtig sei insbesondere, die elementaren Funktionen der Organisation etwa bei der Streitschlichtung zu erhalten. "Wenn die Richterstellen nicht besetzt werden, dann ist das natürlich auch eine Aushöhlung", sagte die CDU-Chefin zur Entscheidung der USA, die ihnen zustehenden Stellen bei Streitschlichtungskammern nicht zu besetzen. Das Thema werde beim G20-Treffen in Argentinien eine zentrale Rolle spielen.
Die WTO mit Sitz in Genf beschäftigt sich mit der Regelung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Trump beschuldigt sie, unfair zu agieren und die USA "über den Tisch ziehen" zu wollen.
FUNKSTILLE ZWISCHEN USA UND CHINA
Diesen Vorwurf hat er auch China gemacht, dessen Überschuss im Handel mit den USA ihm ein Dorn im Auge ist. Am Montag hatten die beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt ihren Streit abermals verschärft. Es traten Zölle der USA auf chinesische Güter in einem Wert von 200 Milliarden Dollar in Kraft. Zugleich wurden chinesische Gegenzölle auf Waren im Volumen von 60 Milliarden Dollar wirksam. Seit Anfang Juli haben sich beide Seiten bereits mit Straf- und Vergeltungszöllen überzogen.
Derzeit herrscht Funkstille zwischen den Kontrahenten. Die Führung in Peking macht neue Gespräche vom Verhalten der US-Regierung abhängig. Es sei schwierig, Verhandlungen fortzusetzen, wenn die Vereinigten Staaten China ein Messer an den Hals hielten, sagte Vize-Handelsminister Wang Shouwen. Die bisherigen Gespräche seien nicht nutzlos gewesen, aber die USA hätten das gegenseitige Verständnis aufgegeben. Ein Handelskrieg müsse verhindert werden. China sehe sich aber zu Gegenmaßnahmen gezwungen. Das Industrieministerium warnte, dass ein Handelskrieg näher rücke. Trump wirft der Volksrepublik unter anderem Marktabschottung, unfaire Beihilfen für die eigene Wirtschaft und Technologie-Diebstahl vor. China weist dies zurück.
Die USA haben unterdessen mit Südkorea ein neues Handelsabkommen geschlossen. Trump und der südkoreanische Staatschef Moon Jae In unterzeichneten die Vereinbarung am Rande der am Dienstag beginnenden UN-Vollversammlung in New York. Trump sprach von einem "historischen Meilenstein". Das überarbeite Abkommen werde Bürokratie abbauen und den Wohlstand in den Vereinigten Staaten und Südkorea fördern.
Auch im Handel mit der EU sieht Trump die USA benachteiligt und drängt auf neue Regelungen. Zudem will er das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada reformieren. Als Druckmittel nutzt er höhere Zölle.