FRANKFURT (dpa-AFX) - Auf die Euphorie an den Börsen könnte in dieser Woche Ernüchterung folgen. Sorgte die Europäische Zentralbank am Donnerstag für einen Paukenschlag und kräftige Kursgewinne - sie will die Zinsen noch mindestens bis Sommer 2019 nicht erhöhen - so könnte der Handelskonflikt in der wieder die Schlagzeilen und die Börsenkurse dominieren. Erste Auswirkungen waren bereits am Freitag zu spüren, nachdem die USA Zölle auf bestimmte Waren aus China verhängt hatten und Peking mit Vergeltung drohte.
Unterdessen sorgt der Streit zwischen CDU und CSU um die Flüchtlingspolitik für Unsicherheit um die Zukunft der Großen Koalition in Deutschland - und damit der Regierung der wichtigsten Volkswirtschaft der EU. Am Wochenende gab es widersprüchliche Meldungen mehrerer Medien, denen zufolge ein Bruch der Koalition möglich erscheint - oder die CSU Kanzlerin Angela Merkel doch noch Zeit für die von ihr favorisierte europäische Lösung geben könnte.
Grundsätzlich scheint die Stimmung unter Börsianern noch gut. Der Dax (DAX) legte in der abgelaufenen Woche um rund 2 Prozent zu. Ihm gelang dabei auch wieder der Sprung über die psychologisch wichtige Marke von 13 000 Punkten - eigentlich ein Befreiungsschlag, sollte sich der Index darüber halten.
"Es ist beachtlich, wie gelassen Anleger mit so wichtigen Themen wie dem Handelskonflikt mit den USA umgehen", warnte Markus Reinwand von der Landesbank Helaba. Der VDax als Gradmesser der Nervosität am Markt bewege sich fast schon wieder auf historisch niedrigem Niveau. Es wäre nicht das erste Mal, so der Analyst, dass Investoren ihre Einstellung revidieren müssten.
Reinwand verwies auf den Kurseinbruch vom Jahresanfang, als die straffere Geldpolitik der Fed heftige Verluste bei Aktien und Anleihen ausgelöst hatte. Die Wachstumszahlen aus den USA sind ungebrochen stark, und die Inflation steigt. Spannend könnte es also am Donnerstag und Freitag werden, wenn in den USA Daten zum Arbeitsmarkt, zur Stimmung von Einkäufern in Unternehmen sowie Frühindikatoren veröffentlicht werden.
Belasten könnte die Börsen in dieser Woche erneut der Handelskonflikt zwischen den USA einerseits und Europa und China andererseits. US-Präsident Donald Trump hat schon einmal Ernst gemacht und lässt gegen China Strafzölle auf Waren im Wert von 50 Milliarden US-Dollar verhängen. Am Wochenende legte die Regierung in Peking ein erstes Paket mit Gegenmaßnahmen vor und kündigte eine weitere Welle von Importzöllen an.
Die Zölle sollen insgesamt auf US-Waren im Wert von ebenfalls 50 Milliarden Dollar gelten. Begonnen werden soll damit gleichermaßen am 6. Juli, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Konkret sind in einem ersten Schritt Pekings zusätzliche Zölle von 25 Prozent auf 545 US-Waren im Wert von 34 Milliarden US-Dollar geplant.
Darunter sind nach einer Aufstellung des chinesischen Finanzministeriums Sojabohnen, Tabak und Fahrzeuge einschließlich Elektroautos. Zudem stehen Agrarprodukte wie Schweine- und Rindfleisch, Reis und Lachs sowie Dutzende Obst- und Gemüsesorten und Nüsse auf der Liste. Trump hatte angekündigt, dass im Fall eines Zurückschlagens Chinas weitere Zölle von US-Seite folgen.
"Handelsstreitigkeiten werden die Märkte immer in Mitleidenschaft ziehen", ist sich Craig Erlam vom Broker Oanda sicher. Angesichts der Stärke der heimischen Wirtschaft und des scheinbaren Erfolgs seiner Nordkorea-Politik könne Trump nun sogar Arbeitsplätze in den USA gefährden, um so den Druck auf andere Staaten zu erhöhen, argumentierte der Analyst. Das werde die Weltwirtschaft ebenso belasten wie die Stimmung an den Finanzmärkten.
Anders als in den USA haben die Konjunkturdaten in der Eurozone zuletzt enttäuscht. Hier hat der Handelsstreit zwischen den USA und der Europäischen Union bereits Spuren hinterlassen. "Mit den jüngsten Entwicklungen in Italien dürften die Sorgen nicht kleiner geworden sein", sagte Lucas Kramer von der Postbank. In Rom regiert seit kurzem eine europakritische Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega. Für den Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe in der Eurozone im Juni rechnet der Ökonom daher mit einem weiteren Rückgang.
Mit Blick auf die Unternehmen dürften die Kursimpulse in dieser Woche noch dünn gesät bleiben. Am Dienstag nach Börsenschluss in den Vereinigten Staaten veröffentlichen die US-Schwergewichte Oracle (112:ORCL) und FedEx (112:FDX) Quartalsergebnisse. Oracle ist zwar seit langem ein hartnäckiger Kontrahent von SAP (4:SAPG), allerdings gingen die Aktienkurse zuletzt getrennte Wege: Während Oracle-Papiere vom Hoch Mitte März um 14 Prozent gefallen sind, haben SAP-Anteilsscheine in diesem Zeitraum um fast 20 Prozent zugelegt.