Investing.com - Die Quantencomputing-Branche erlebt derzeit einen rasanten Aufschwung. Jüngst hat vor allem Googles neuer Willow-Chip für viel Gesprächsstoff gesorgt. In der Folge registrierten Aktien von Spezialanbietern wie IONQ Inc (NYSE:IONQ), Rigetti Computing Inc (NASDAQ:RGTI) und D-Wave Quantum (NYSE:QBTS) teils enorme Kursgewinne – manche steigerten ihren Börsenwert um das Vier- bis Zehnfache. Zugleich beobachten namhafte Unternehmen wie NVIDIA Corporation (NASDAQ:NVDA) diesen Hype mit Vorsicht und stellen kritische Fragen dazu, wann erste echte kommerzielle Erfolge zu erwarten sind.
Um mehr Klarheit in das Thema zu bringen, haben wir mit Sylvia Jablonski, Geschäftsführerin von Defiance ETFs, gesprochen. Das Unternehmen verwaltet unter anderem den Defiance Quantum ETF (NASDAQ:QTUM), der ein Fondsvolumen von rund einer Milliarde US-Dollar aufweist. Im Gespräch geht es um aktuelle Chancen und Risiken im Quantencomputing – einer Branche, die gerade dabei ist, unser Verständnis von Rechenleistung neu zu definieren.
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1. Frau Jablonski, können Sie kurz erläutern, was Quantencomputing ist und warum es für Anleger so interessant sein könnte?
Sylvia: Quantencomputing ist eine hochmoderne Technologie, die das Potenzial hat, ganze Industriezweige auf den Kopf zu stellen. Wir sprechen hier von einer „vierten industriellen Revolution“, bei der es um weit mehr geht als nur schnellere Computer. Während klassische Computer mit Bits (0 und 1) arbeiten, nutzen Quantencomputer Qubits, die mehrere Zustände gleichzeitig annehmen können. So lassen sich komplexe Aufgaben angehen, an denen herkömmliche Rechner schon heute an ihre Grenzen stoßen.
Für Anleger ist das deshalb so spannend, weil Quantencomputing zum Beispiel in Pharma- und Finanzbranchenentscheidend sein könnte. Denken Sie an Medikamentenentwicklung: Dort könnten neue Wirkstoffe in einem Bruchteil der bisherigen Zeit gefunden werden. Oder an das Finanzwesen: Extrem aufwendige Risikoberechnungen wären plötzlich realisierbar. Noch steckt die Branche allerdings in den Kinderschuhen. Unternehmen wie Google (NASDAQ:GOOGL), IBM (NYSE:IBM) oder Microsofthaben schon große Fortschritte gemacht, während spezialisierte Startups wie IonQ, D-Wave und Rigetti ebenfalls interessant sein können. Kurz gesagt: Wer sich frühzeitig engagiert, setzt auf einen möglicherweise bahnbrechenden Trend – muss aber auch geduldig sein, bis diese Technologie wirklich einsatzreif ist.
2. Worin liegt der Unterschied zwischen Ihrem ETF und dem direkten Kauf einzelner Quantencomputing-Aktien?
Sylvia: Unser ETF soll Anlegern den Zugang zum gesamten Quantencomputing-Ökosystem bieten, ohne dass man sich auf ein einziges Unternehmen festlegen muss. Wer eine einzelne Aktie kauft, geht das Risiko ein, dass genau diese Firma vielleicht scheitert oder vom Wettbewerb überholt wird. Bei uns hingegen streuen wir das Investment auf mehrere wichtige Player – sowohl Hardware- als auch Softwareentwickler und Unternehmen aus angrenzenden Bereichen wie KI oder Halbleiter, die alle eine Schlüsselrolle im Quanten-Stack spielen.
Das hat sich etwa vor ein paar Wochen gezeigt, als manche Quantenwerte bis zu 40 % einbrachen. Unser ETF verlor hingegen nur wenige Prozent und konnte sich rasch wieder erholen. Der Grund dafür liegt in unserem ausgeglichenen Ansatz: Große Firmen mit soliden Bilanzen haben uns Stabilität gegeben, während die kleineren Titel zwar stärker schwankten, dafür aber langfristig die Chance bieten, besonders dynamisch zu wachsen – oder durch Übernahmen hohe Wertsteigerungen zu bringen. Diese Kombination ist für viele Anleger interessant, die am Potenzial des Quantencomputings teilhaben möchten, ohne auf ein einziges Pferd zu setzen.
3. Google hat kürzlich mit seinem Willow-Chip für Aufmerksamkeit gesorgt. Inwiefern verändert dieser Durchbruch die Branche?
Sylvia: Googles Willow-Chip ist wirklich ein bedeutender Schritt nach vorne. Indem er die Fehlerkorrektur verbessert, bringt uns Google näher an eine praxisnahe Nutzung von Quantencomputern. Das Faszinierende ist, dass solche Meilensteine häufig wie ein Katalysator wirken: Sobald ein „Big Player“ etwas Entscheidendes erreicht, profitiert das ganze Feld, da viele Unternehmen eng miteinander vernetzt sind oder die Ergebnisse weiterverwenden.
Zudem zeigt die Ankündigung von Google, dass wir uns langsam aus der rein wissenschaftlichen Ecke herausbewegen. Wir befinden uns zunehmend in einer Phase, in der man darüber nachdenkt, wie Quantencomputing kommerziell nutzbar wird. Wer in diesem Markt investiert, sieht hier natürlich ein Signal, dass das Rennen um Quantenfortschritte an Tempo aufnimmt und dass jede neue Technologie die Branche ein Stück näher an eine flächendeckende Anwendung bringt.
4. Jensen Huang, der CEO von NVIDIA, sieht die echte Marktreife von Quantencomputing erst in 15 bis 30 Jahren. Wie ist Ihre Einschätzung?
Sylvia: Herr Huang hat selbstverständlich Recht, wenn er betont, wie unglaublich komplex Quantencomputing ist. Es gibt noch unzählige technische Hürden. Trotzdem denke ich, dass wir in bestimmten Bereichen – etwa Pharma, Logistik oder Materialwissenschaften – in den nächsten zehn Jahren bereits konkrete Anwendungen sehen werden. Microsoft (NASDAQ:MSFT) und D-Wave haben ja bereits angekündigt, wie sie Quantencomputing „in echt“ einsetzen.
Man darf zudem nicht vergessen: Wenn eine neue Technik kommt, setzt sie sich selten von heute auf morgen in allen Bereichen durch. Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis Quantenrechner so verbreitet sind wie herkömmliche Computer. Aber gewisse Branchen könnten weitaus schneller profitieren. Genau das macht Quantencomputing als Investment spannend: Man kann jetzt schon dabei sein, wenn erste kommerzielle Einsatzfelder entstehen – auch wenn der ganz große Durchbruch durchaus länger auf sich warten lässt.
5. Was sollten Anleger ansonsten wissen, bevor sie in Quantencomputing investieren?
Sylvia: Zum einen ist Quantencomputing kein isoliertes Phänomen, sondern ein Puzzleteil in einem größeren Zusammenhang: Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Cybersicherheit und Kryptografie spielen hier eng zusammen. Zum anderen dürfte sowohl aus privaten als auch aus staatlichen Quellen in den kommenden Jahren viel Geld in die Forschung fließen.
Für Investoren bedeutet das, dass dieses Feld vermutlich nicht so schnell verpufft wie manche kurzlebigen Tech-Hypes. Trotzdem brauchen Sie einen realistischen Zeithorizont und sollten keine Wunder von heute auf morgen erwarten. Wer über Jahre hinweg investiert bleibt, könnte jedoch von den möglichen Fortschritten überdurchschnittlich profitieren.
Über Sylvia Jablonski
Sylvia Jablonski ist CEO und Chief Investment Officer bei Defiance ETFs. Sie gilt als eine der Vorreiterinnen der ETF-Branche und wird regelmäßig in TV- und Radiosendungen zitiert – unter anderem bei CNBC, Bloomberg, Fox, dem Wall Street Journal, Barron’s, Yahoo und Forbes. Sie verantwortet bei Defiance die Investmentstrategie, das Kapitalmarktgeschäft sowie die Produktentwicklung. Bevor sie zu Defiance kam, war sie als Managing Director bei Direxion tätig.
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