Investing.com - Wie erwartet hat die US-Notenbank Federal Reserve ihren Leitzins unverändert bei 4,25 % bis 4,50 % belassen. Damit pausiert die Fed nach drei aufeinanderfolgenden Zinssenkungen im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge. Die Entscheidung fiel einstimmig.
Der sogenannte Dot-Plot zeigt weiterhin eine erwartete Lockerung um 50 Basispunkte bis Jahresende, doch innerhalb der Fed gibt es zunehmend unterschiedliche Meinungen. Vier Mitglieder rechnen nur mit einer kleinen Senkung um 25 Basispunkte, während vier andere gar keine Veränderung in diesem Jahr erwarten.
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Ökonomen sehen unterschiedliche Szenarien für die nächsten Monate
Die heutige Entscheidung kam nicht überraschend - doch die Einschätzungen dazu, wie es weitergeht, gehen weit auseinander. Während einige Experten Zinssenkungen in den kommenden Monaten für wahrscheinlich halten, sehen andere kaum Spielraum für eine Lockerung.
Wells Fargo (NYSE:WFC): Zinssenkungen um 75 Basispunkte möglich
Jay H. Bryson, Chefökonom von Wells Fargo, erwartet, dass die Fed bis zum Jahresende den Leitzins um insgesamt 75 Basispunkte senken wird. Der Grund: Er geht davon aus, dass die US-Regierung unter Donald Trump die Importzölle deutlich anheben wird - und andere Länder mit Gegenzöllen reagieren könnten.
"Zwar dürften diese Zölle nur kurzfristig zu höheren Preisen führen, doch der negative Effekt auf das Wirtschaftswachstum könnte stärker sein. Steigt die Arbeitslosigkeit, könnte die Fed gezwungen sein, den Fokus stärker auf den Arbeitsmarkt als auf die Inflation zu legen - und dann wären Zinssenkungen die logische Folge", so Bryson.
Capital Economics: Fed bleibt auf Kurs – Zinssenkungen unwahrscheinlich
Ganz anders sieht es Stephen Brown, stellvertretender Chefökonom für Nordamerika bei Capital Economics. Er hält es für unwahrscheinlich, dass die Fed ihre Geldpolitik lockert, solange die Inflation nicht stärker sinkt.
"Powell deutete zwar an, dass die Fed einmalige Preissteigerungen durch Zölle ignorieren könnte. Aber solange die Kerninflation um die 3 % bleibt, gibt es für Zinssenkungen wenig Spielraum. Besonders, wenn steigende Inflationserwartungen das Risiko mitbringen, dass diese Preiserhöhungen auf andere Bereiche der Wirtschaft übergreifen", so Brown.
Seine Prognose: Die Fed bleibt das ganze Jahr über auf Kurs und wird die Zinsen frühestens 2026 senken - anders als der Markt, der für 2025 mit drei Lockerungen rechnet.
ING (AS:INGA): Lockerung frühestens im Herbst möglich
James Knightley, Chefökonom für internationale Märkte bei ING, hält Zinssenkungen zwar für möglich, aber erst in der zweiten Jahreshälfte.
"Powell hat mehrfach betont, dass die Unsicherheit groß ist. Die Fed wird erst reagieren, wenn sich in den Wirtschaftsdaten eine klare Schwäche zeigt", so Knightley.
Ein wichtiger Faktor seien dabei die Wohnkosten: "Sollte sich der Preisdruck bei den Mieten . gemessen am Cleveland-Fed-Index . ab dem Spätsommer verringern, könnte die Fed im September und Dezember mit Zinssenkungen beginnen. Eine weitere Senkung könnte dann im März 2026 folgen", erklärt er.
Nordea: Fed lässt sich Zeit
Für Lars Mouland, Chefstratege für Zinsen und Kredite bei Nordea, macht die Fed keinerlei Anstalten, die Zinsen bald zu senken.
"Unser Eindruck ist ganz klar: Die Fed hat es nicht eilig. Und ehrlich gesagt, gibt es auch keinen Grund zur Eile. Der Arbeitsmarkt hält sich stabil, und wir sehen keine akuten Risiken, die die Notenbank unter Druck setzen würden. Viel wichtiger sind aktuell die Inflationsrisiken - und die bleiben hoch. Deshalb glauben wir, dass die Fed die Zinsen so schnell nicht antasten wird."
LPL: Stagflationsgefahr wächst
Jeffrey Roach, Chefökonom von LPL, warnt gegenüber CNBC vor einer Stagflation - einer Kombination aus schwachem Wachstum und hartnäckig hoher Inflation.
"Die aktualisierten Projektionen haben sich eingetrübt, während die Inflation immer noch hoch bleibt. Das könnte Investoren zunehmend nervös machen", sagt Roach.
Seiner Einschätzung nach könnte diese Unsicherheit kurzfristig auch den Dollar unter Druck setzen. Gleichzeitig geht er davon aus, dass die Kerninflation in den kommenden Monaten spürbar nachlassen wird. Sollte sich dieser Trend bestätigen, könne die Fed im Juni die erste Zinssenkung in diesem Jahr vornehmen, so Roach weiter.
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