Investing.com – Die Rüstungsindustrie ist ein Geschäft, das sich in einer Welt voller Krisen und Konflikte offenbar so gut entwickelt wie nie zuvor. Stephan Kaufmann, Wirtschaftsjournalist, liefert in seinem jüngsten Artikel in dem Wirtschaftsmagazin Surplus eine Analyse, die nicht nur Einblicke in die Mechanismen dieser Branche gibt, sondern auch Fragen danach aufwirft, wer hier eigentlich wen ausnimmt.
Es ist vor allem die zunehmende geopolitische Instabilität, die den Umsatz der Rüstungskonzerne in die Höhe treibt. »Die Sicherheitsgarantien der USA werden fragwürdig«, schreibt Kaufmann, und das nutzen Unternehmen wie Rheinmetall (ETR:RHMG) offenbar skrupellos aus. Der deutsche Panzerbauer verzeichnete 2023 einen Umsatzsprung von 50 Prozent in seiner Militärsparte, während der operative Gewinn um über 60 Prozent auf den Rekordwert von knapp 1,5 Milliarden Euro anstieg. »Das Geschäft mit Waffen ist extrem profitabel«, resümiert Kaufmann – und fügt hinzu, dass eines der größten Opfer dieser Profitgier der deutsche Steuerzahler ist, schließlich ist der Staat einer der größten Abnehmer von Rheinmetall.
Doch wie kann es sein, dass eine Branche, die sich auf die Produktion von Zerstörung spezialisiert hat, derartige Gewinne einfährt? Kaufmann erklärt dies mit einer Mischung aus Monopolstellung, staatlicher Abhängigkeit und geschickter Preisgestaltung. »Staaten wie Deutschland gehen nicht einfach auf den Panzer-Weltmarkt«, so Kaufmann. Stattdessen bestehen sie auf Beschaffung im Inland, um politische Zuverlässigkeit zu gewährleisten und die heimische Wirtschaft zu stärken. Diese Praxis schafft einen geschützten Markt, auf dem Rüstungskonzerne quasi monopolistisch agieren können.
Das Ergebnis dieses Systems ist eine Gewinnspanne, die selbst die profitabelsten Unternehmen anderer Branchen in den Schatten stellt. Während die 100 größten deutschen Aktiengesellschaften 2024 im Schnitt eine Gewinnmarge von 9,3 Prozent erzielten, kam Rheinmetall auf satte 15,2 Prozent. Im Bereich »Defence« waren es sogar 19 Prozent, und bei Waffen und Munition glänzte der Konzern mit einer »spektakulären« Gewinnspanne von 28,4 Prozent – nach 23 Prozent im Vorjahr. »Von jedem Euro an öffentlichen Geldern«, zitiert Kaufmann die Ökonomin Isabella Weber, »bleiben dem Unternehmen 28,5 Cent an Gewinn.«
Doch warum zahlt der Staat solche Preise? Kaufmann führt dies auf die besonderen Anforderungen der Rüstungsindustrie zurück. »Höchster technologischer Stand, beste Materialien, dauerhafte Sicherung der Produktionskapazitäten und massenhaft Aufwendungen für Forschung und Entwicklung« seien nötig, weil auf dem Gefechtsfeld das zweit- oder drittbeste Produkt wertlos sei. Hinzu kommt, dass die niedrigen Stückzahlen die Kosten auf den Preis weniger Einheiten umlegen – was Panzer schnell mal 15 Millionen Euro pro Stück kosten lässt.
Doch während diese Argumentation auf den ersten Blick plausibel klingt, offenbart sie doch einen grundlegenden Widerspruch: Der Staat als einziger Nachfrager ist in einer schwachen Position, während die Rüstungskonzerne ihre Renditebedürfnisse ungeniert durchsetzen können. »Bei 80 Prozent aller Rüstungsprojekte kommt es zu Preiseskalationen«, so Kaufmann, »der Preis wird zu Beginn niedrig angesetzt und steigt dann kontinuierlich an.«
Diese Praxis ist doppelt zynisch. Zum einen profitiert die Rüstungsindustrie von der Angstpolitik, die sie selbst befeuert. Zum anderen lastet die finanzielle Bürde auf den Schultern der Steuerzahler, während die Aktionäre von Rheinmetall und Co. sich über Rekordgewinne freuen können. »Eine Epoche der Aufrüstung in Europa hat begonnen, die uns allen viel abverlangen wird«, verkündete Rheinmetall-Chef Armin Papperger jüngst stolz. Dass diese Last vor allem beim Bürger ankommt, während die Konzerne in dieser »Epoche« ihre »Wachstumsperspektiven« feiern, ist dabei kein Zufall – sondern das Ergebnis eines Systems, in dem Profit über Menschenleben gestellt wird.
Fazit: Die Rüstungsindustrie ist kein Geschäft, wie jedes andere – sie ist ein Geschäft, das von den Ängsten der Menschen und der Abhängigkeit der Staaten profitiert. Und während die Konzerne ihre Gewinne maximieren, wird der Rest von uns früher oder später feststellen, dass wir nicht nur die finanziellen, sondern auch die menschlichen Kosten dieses Profits zu tragen haben. Stephan Kaufmanns Analyse legt den Finger in die Wunde – und zeigt, dass es höchste Zeit ist, dieses System kritisch zu hinterfragen.