Investing.com - Die Wirecard-Aktie (DE:WDIG) präsentiert sich weiter extrem schwach. Nach einer dynamischen Erholung als Reaktion auf die Telefonkonferenz von Wirecard-Chef Markus Braun am Montag geriet das Papier am Donnerstag wegen eines weiteren Artikels der Financial Times erneut unter Druck. Zum Schlussgong stand ein Minus von 14,93 Prozent zu Buche. Die Aktie schloss auf 110,85 Euro.
Im "Alphaville"-Blog der "Financial Times" erhebt der Wirecard-Kritiker und Shortseller Dan McCrum erneut schwere Vorwürfe gegen den deutschen Zahlungsdienstleister.
Konkret geht es um angeblichen Bilanzbetrug in der Niederlassung in Singapur. Demnach soll der für den Asien-Pazifik-Raum zuständige Buchhaltungsmanager Edo Kurniawan zwölf Mitarbeiter in der Kunst der Bilanzfälschung geschult haben.
Der Grund: Wirecard wollte sich so Lizenzen im asiatischen Raum ergaunern, um die Erlaubnis der Finanzaufseher Hongkongs zur Ausgabe von Prepaid Kreditkarten und zur Übernahme der Citigroup-Zahlungssparte zu erhalten. Das soll aus den Dokumenten hervorgehen, die der Financial Times vorliegen.
Schlimmer ist jedoch die Anschuldigung, wonach zwei Führungskräfte im Firmenhauptsitz in München „zumindest einige Kenntnis“ von den Vorfällen gehabt hätten. Konkret geht es dabei um Thorsten Holten und Stephan von Erffa, jeweils Leiter der Finanzabteilung des Unternehmens und Buchhaltungsmanager. Damit rückt erstmals auch das Top-Management in der dreiteiligen Artikelserie von McCrum in den Fokus der betrügerischen Anschuldigungen, der jetzt schon als größtes Hassobjekt unter Wirecard-Anlegern gilt.
In dem Artikel der Financial Times heißt es außerdem, dass Wirecard Gelder zwischen Tochtergesellschaften und anderen Unternehmen hin- und hergeschoben hat. So wollte der Zahlungsdienstleister Umsätze erzeugen, die es so gar nicht gab, um die ambitionierten Ziele zu erreichen.
McCrum beschreibt den Vorgang so: "Ein Geldbetrag, den die Wirecard Bank in Deutschland besitzt, würde das Geldhaus verlassen, sich in einer stillen Tochtergesellschaft in Hongkong zeigen, abreisen, um kurz in der Bilanz eines externen "Kunden" aufzutauchen, und dann nach Wirecard in Indien zurückkehren. Für regionale Rechnungsprüfer würde dies dann wie ein ehrlicher Geschäftsumsatz aussehen".
Die zentrale Frage bleibt: was wusste das Top-Management in München über die Aktivitäten in Singapur und was hätte es wissen sollen?
Sollte rauskommen, dass das Top-Management von dem angeblichen Betrug in Singapur wusste, dann sieht es für die Wirecard-Aktie rabenschwarz aus. Schließlich ist ein guter Aktienkurs wichtig für die Außenwirkung des Unternehmens. Ein steigender Aktienkurs zeigt, wie viel Vertrauen die Anleger in den Vorstand und die Geschäftsidee haben. Ansehen und Reputation sind an der Börse extrem wichtig. Ein tiefer Aktienkurs macht dagegen nicht nur feindliche Übernahmen leichter, sondern spiegelt auch das gesunkene Vertrauen der Anleger wieder, so dass der Kurs über Jahre hinweg fallen könnte.
Wirecard wies die jüngsten Vorwürfe umgehend zurück und sagte in einer Pressemitteilung, dass an diesen Berichten der Financial Times nichts wahr ist. So habe weder das interne Compliance-Team, das eine entsprechende Untersuchung durchgeführt hat, irgendeine Bestätigung für die erhobenen Vorwürfe gefunden, auch hat die mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragte und auf Compliance-Recht spezialisierte Anwaltskanzlei Rajah & Tann keine schlüssigen Feststellungen für ein strafbares Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Führungskräften von Wirecard gefunden, hieß es in der Kurzmitteilung von Iris Stöckl, Vice President Corporate Communication and Investor Relations.
In zwei zuvor veröffentlichten Artikeln berichtete McCrum über mögliche Compliance-Verletzungen im Bereich der Rechnungslegung für den Zeitraum 2015 bis 2018 in Höhe von 6,9 Millionen Euro Umsatz und Kosten von 4,1 Millionen Euro sowie dem Transfer von geistigem Eigentum an Software im Wert von 2,6 Millionen Euro.
Während die FT schrieb, dass Rajah & Tann potenzielle zivil- und strafrechtliche Verstöße in Singapur, Hongkong, Indien, Malaysia und Deutschland identifiziert hat, behauptete Wirecard auch hier, dass die Vorwürfe falsch seien und dass die Meldungen auf der Grundlage von Grabenkämpfen zwischen Mitarbeitern entstanden seien.
So sagte Wirecard-Chef Markus Braun in einer am Montag gehaltenen Telefonkonferenz: "Ich sehe das ganze Thema schon jetzt als geklärt an". Im Handelsblatt betonte Braun: "Es gibt keinerlei Risiko. Wir mussten in der Buchhaltung keinerlei Korrekturen oder Anpassungen vornehmen".
Klingt so jemand, der Dreck am Stecken hat?
Und ganz ehrlich, McCrum hat in der Vergangenheit schon öfter scharf gegen Wirecard geschossen. Heraus kam nichts als Schall und Rauch. Auch sagen Experten dem FT-Journalisten Kontakte zu Shortsellern nach, wobei ihm das Stand heute nicht nachgewiesen werden konnte. Interessanterweise kam am 1. Februar ein Artikel von Bloomberg heraus, wonach Hedgefonds-Manager Crispin Odey 18 Millionen Dollar mit Wetten gegen Wirecard gemacht haben soll. Viel spannender ist aber die Tatsache, dass der gleiche Hedgefonds-Manager 2014 bis 2017 große Verluste mit Wetten gegen Wirecard einfuhr. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
von Robert Zach