London (Reuters) - In Großbritannien haben die Tory-Partei von Premierministerin Theresa May und der Labour-Opposition bei Kommunalwahlen in England angesichts der Brexit-Blockade Verluste hinnehmen müssen.
Nach Auszählung von knapp der Hälfte der Stimmen büßten laut BBC-Angaben vom Freitag die Tories 443 Gemeinderäte und die sozialdemokratische Labour 78 Sitze ein. Es scheine, also ob die Wähler beide Lager verwünscht hätten, sagte Wahlexperte John Curtice. Der Gegenwind für die Tories sei erwartet worden, doch hätten viele Wähler auch ihrem Unmut über die Haltung Labours zum Brexit-Vorgehen der Regierung Luft gemacht. Die proeuropäischen Liberaldemokraten gewannen 304 Ratsmitglieder hinzu. Insgesamt standen bei der Wahl am Donnerstag 8000 Sitze zur Neuverteilung an. Die Abstimmung habe gezeigt, dass die Engländer sich von ihren Politikern eine Lösung des Brexit-Streits wünschen, sagte ein Labour-Sprecher.
Hintergrund der Verluste für die beiden größten Parteien des Landes sind die festgefahrenen Verhandlungen über die Modalitäten des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. Das Parlament in London stimmte drei Mal gegen den von May mit der EU ausgehandeltem Vertrag für einen geregelten Abschied. Einen Ausweg aus dem Dilemma sollen nun Gespräche zwischen May und Labour-Parteichef Jeremy Corbyn weisen. Die Fortsetzung ist für nächste Woche geplant. "Es ist wichtig, dass wir es hinbekommen", sagte eine Sprecherin von May. Die Aussichten auf einen Kompromiss werden in London jedoch als gering eingeschätzt. Ohne Durchbruch muss das Vereinigte Königreich an der Europawahl teilnehmen, die dort am 23. Mai stattfindet.
KLEINE PARTEIEN UND UNABHÄNGIGE KANDIDATEN LEGEN ZU
Im Aufwind sind bei der Kommunalwahl auch kleinere Parteien. Die Grünen verbuchten 42 neue Sitze und unabhängige Kandidaten gewannen 215 Mandate. Bei dem Urnengang stehen üblicherweise lokale Themen wie Schulen, der Straßenbau und der öffentliche Nahverkehr im Zentrum. Nicht auf dem Wahlzettel stand die Brexit-Partei von Austrittsverfechter Nigel Farage.
Eigentlich wollten die Briten die EU am 29. März verlassen. Da der Termin nicht zu halten war, einigten sich die EU-Staats- und Regierungschef auf einem Gipfel Mitte April auf eine Verschiebung bis Ende Oktober. Sollte das Austrittsabkommen angenommen werden, könnte der Brexit auch früher über die Bühne gehen. Wegen der verfahrenen Lage sind aber auch Neuwahlen oder eine zweite Brexit-Abstimmung möglich.