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Veröffentlicht am 28.11.2012, 18:37
Börsen-Zeitung: Eine Frage der Bewertung, Kommentar zur Verschärfung

der EU-Regeln für Ratingagenturen, von Stephan Lorz.

Frankfurt (ots) - Dass im Laufe der Euro-Krise so manche

Bonitätsbewertung von Ratingagenturen die Politik verärgert hat -

etwa wegen ihres krisenverschärfenden Veröffentlichungszeitpunkts -

ist nachvollziehbar. Oft wurden Ratingveränderungen von Staaten

unmittelbar vor entscheidenden EU-Gipfeln bekannt gegeben, obwohl

sich an der Lage des betroffenen Landes zuvor nichts geändert hatte.

Das wirft Fragen nach den Absichten auf. Auch leisteten sich die

Agenturen so manche Fehlleistung etwa durch zu früh bekannt gewordene

Bonitätsänderungen.

Dass die EU-Kommission deshalb wegen des institutionellen und

marktbewegenden Charakters der Agenturen nun auf mehr Transparenz

dringt, sie bei grober Fahrlässigkeit sogar haftbar machen und den

Veröffentlichungszeitpunkt vorgeben möchte, ist deshalb durchaus

diskussionswürdig. Auch andere Unternehmen müssen sich ihrer

rechtlichen und gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Und im Fall

der Länderratings geht es schließlich oft um das Wohl und Wehe ganzer

Volkswirtschaften.

Allerdings darf die Haftung nicht so weit gehen, dass die

Agenturen künftig wegen einer - aus Sicht des Betroffenen - zu

schlechten Bonitätsnote zur Rechenschaft gezogen werden können. Das

ist zwar dem Verordnungsentwurf nach ohnehin nicht geplant. Wie weit

Gerichte bei der Interpretation von Gesetzestexten aber gehen, hat

zuletzt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Hinblick auf den

Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gezeigt: Das strikte

'Beistandsverbot' (No-Bail-out-Klausel) des EU-Vertrags bei

finanziellen Schieflagen von Euro-Staaten wurde zu einer

'Beistandsmöglichkeit' umdeklariert. Da der Unmut der Politik über

die zu schlechte Bonitätsbewertung zu den neuen

Regulierungsvorschlägen geführt hat, ist nun die Gefahr groß, dass

auch der aktuelle Regulierungswortlaut 'uminterpretiert' wird.

Bei aller Kritik am Gebaren der Ratingagenturen sieht der

Gesetzgeber ja inzwischen ein, dass er es selbst war, der durch die

Integration der Ratings in Regulierungsbestimmungen den Agenturen

erst zur jetzt beklagten Marktbedeutung verholfen hat. Von Natur aus

handelt es sich bei Ratings nämlich lediglich um Meinungsäußerungen.

Und inhaltlich haben sich die Urteile im Bereich der jetzt

kritisierten Länderratings meist sogar als ökonomisch fundiert

erwiesen. Nicht immer natürlich, aber die Agenturen sind ja auch

keine Versicherung gegen Zahlungsausfall, sondern bewerten nur - wie

es dieser Kommentar auch tut.

(Börsen-Zeitung, 29.11.2012)

Originaltext: Börsen-Zeitung

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Telefon: 069--2732-0

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