Aktienwelt360 - Noch 2017 war Atos (EPA:ATOS) (WKN: 877757) ein stolzer Konzern, der gegen Konkurrenten aus Übersee wie IBM (NYSE:IBM) (WKN: 851399) oder Fujitsu (WKN: 855182) antrat. Seither geht es steil bergab. Auch IBM wurde nicht selten der Niedergang vorhergesagt. Doch die Amerikaner ließen zuletzt wieder mit erstaunlichen Gewinnen aufhorchen. Der Branche geht es also nicht so schlecht. Kann Atos den Turnaround schaffen und frische Aktionäre reich machen?
Atos, der Marktkonsolidierer
Die Geschichte von Atos ist von Akquisitionen geprägt, angefangen vom Zusammenschluss von französischen IT-Dienstleistern im Jahr 1997. Klangvolle Abspaltungen von europäischen Konzernen wie Origin, Karstadt, Schlumberger (NYSE:SLB), Bull, Xerox (NASDAQ:XRX) und immer wieder Siemens (ETR:SIEGn) wurden später geschluckt.
Im Ergebnis erweiterte sich das Leistungsspektrum erheblich. Neben IT-Services bot Atos auch Cybersecurity, Kommunikationstechnik, Supercomputer und Zahlungsdienstleistungen. Man hatte den Anspruch, bei allen großen Technologiethemen mitzuspielen.
Auch Künstliche Intelligenz, Big Data, Cloud, Internet der Dinge und Quantencomputing durften nicht fehlen. Auf der Website wimmelt es von Messages, die Aufbruch und Technologieführerschaft vermitteln wollen. Atos war bereit, um von den Megatrends zu profitieren. Was konnte da schiefgehen?
US-Pendant IBM ist zwar kein gefeierter Tech-Gigant mehr, aber eine Cash-Maschine
Big Blue hatte seine eigenen Probleme und wurde von Analysten und Beobachtern häufig hart kritisiert für seine behäbige Strategie und mangelnde Unternehmenskultur. Auch IBM wird vorgeworfen, den Cloudtrend nicht richtig adressiert zu haben. Einige milliardenschwere Übernahmen wirkten wie Verzweiflungstaten.
Und doch ist festzustellen, dass Aktionäre mit der IBM-Aktie nicht so schlecht gefahren sind seit Ende 2017. Damals notierte die Aktie um 150 US-Dollar. Heute liegt der Kurs bei über 180 US-Dollar. Eine saftige Dividende gab es noch obendrauf: im Schnitt jedes Jahr etwa 5,70 US-Dollar, mit steigender Tendenz.
(Prozentuale Kursentwicklung seit Februar 2019 von Atos und IBM auf Euro-Basis)
IBM ist zwar nicht mehr der hochangesehene Branchenprimus. Doch der Konzern generiert weiterhin üppige Cashflows, mit denen es nicht nur seine Aktionäre glücklich machen, sondern auch seinen Schuldenberg abtragen kann.
Atos auf der anderen Seite steht mit dem Rücken zur Wand
Defizitäre Geschäftsbereiche, häufige Managementwechsel und milliardenschwere Abschreibungen machen der Gruppe zu schaffen.
Die kostspielige Aufspaltung in Eviden mit den aussichtsreicheren Geschäftsbereichen und Tech Foundations brachte bisher nicht den Befreiungsschlag. Es klingt verrückt: Dieser Technologiekonzern mit über 100.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp 11 Mrd. Euro wird an der Börse mit gerade einmal einer Viertelmilliarde bewertet.
Der Grund ist schnell ausgemacht: Atos hatte im letzten Jahr einen Abfluss von freien Barmitteln in Höhe von rund 1 Mrd. Euro. Nun nähern sich auch noch anstehende Refinanzierungen in diesem Zinsumfeld. 2,75 Mrd. Euro sind kurzfristig fällig (davon 0,5 im November, 1,5 im Januar 2025, 0,75 im Mai 2025). Schon im November 2025 steht zudem die Erneuerung einer revolvierenden Kreditlinie in Höhe von 0,9 Mrd. Euro an.
Seit Monaten laufen die Verhandlungen mit Gläubigern und Investoren, um den Konzern wieder auf ein festes Fundament zu stellen. Eine normale Eigenkapitalerhöhung kommt zu diesen Tiefstkursen eigentlich kaum infrage. Dennoch wird spekuliert, ob einige Gläubiger im Gegenzug für Anteile auf einen Teil ihrer finanziellen Ansprüche verzichten.
Daneben versucht Atos, über den Verkauf von Geschäftsbereichen Geldmittel einzuwerben. Im Januar wurde beispielsweise gemeldet, dass Airbus (EPA:AIR) (WKN: 938914) für das Cyberdatengeschäft von Atos bietet. Zudem ist der schillernde tschechische Investor Daniel Kretinsky noch im Rennen. Bei diesem Deal lautet das Ziel nicht, einen hohen Preis zu erzielen, sondern möglichst viele Schulden loszuwerden. Die Verhandlungen ziehen sich jedoch hin und die Chancen für ein gutes Ergebnis sinken.
Es bleibt also die Frage, ob Atos genug Werte heben kann, um sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Zwar standen Mitte 2023 immerhin noch 3,1 Mrd. Eigenkapital in den Büchern, aber viele glauben nicht mehr daran. Atos ist in Europa eine der am stärksten leerverkauften Aktien. Wer selbst nach diesem Kursdesaster noch gegen die Aktie wettet, der glaubt offenbar an eine Pleite.
So stehen jetzt die Chancen
Atos und IBM haben eine ähnliche Geschichte durchlebt in den letzten zwei Jahrzehnten. Sie wollten bei den Megatrends dabei sein und haben dafür Schulden aufgehäuft. Zuletzt haben sie sich durch Aufspaltungen neu aufgestellt. IBM hat es damit trotz einiger Schwierigkeiten geschafft, in der Spur zu bleiben. Atos hingegen hat sich auf dem Weg verkalkuliert, schleppt noch zu viel Altgeschäft mit sich herum und steht nun am Abgrund.
Leerverkäufer tun alles, um den Anschein zu erwecken, dass ein Insolvenzverfahren unvermeidlich ist. In diesem Fall würden die Gläubiger das Ruder übernehmen und Aktien ließen sich fast zum Nulltarif zurückkaufen. Dass Kunden sich in dieser Situation zweimal überlegen, ob sie sich einem dermaßen strauchelnden Unternehmen zur Lösung ihrer IT-Herausforderungen anvertrauen wollen, könnte die Probleme weiter verschärfen.
Und doch ist Atos ein strategisches wichtiges Unternehmen, das für französische Behörden arbeitet und einige der schnellsten Supercomputer der Welt gebaut hat. Dazu passt, dass die kapitalkräftige Airbus einen Deal auslotet, der Atos einen großen Schritt nach vorn bringen würde.
Es ist sicherlich für viele Anleger reizvoll, hier eine Turnaround- oder gar Shortsqueeze-Wette zu wagen. Mir ist die Sache hingegen zu politisch aufgeladen, weshalb ich lieber gespannt von der Seitenlinie aus verfolge, wie diese Geschichte ausgeht. Übrigens würde ich nach dem guten Lauf auch keine IBM-Aktien mehr kaufen. Zwar ist Cash King. Aber es gibt attraktiver bewertete Aktien.
Der Artikel Showdown bei der Atos-Aktie – während IBM auftrumpft ist zuerst erschienen auf Aktienwelt360.
Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. Aktienwelt360 empfiehlt keine der erwähnten Aktien.
Aktienwelt360 2024