von Robert Zach
Investing.com - Seit einigen Monaten ist der US-Elektroautobauer Tesla (NASDAQ:TSLA) aufgrund seines astronomisch hohen Aktienkurses - nicht aufgrund qualitativ hochwertiger Autos - in aller Munde. 368 Prozent hat die Tesla-Aktie infolge des Corona-Absturzes an Wert hinzugewonnen.
Grund für den wahnwitzigen Kursanstieg, den das KGV und das KBV auf 863 bzw. 37,84 nach oben katapultiert hat, ist das angeblich so enorme Potenzial des Autobauers aus Kalifornien, der von einigen Tesla-Fans schon als Technologie- und nicht mehr als Automobilfirma gepriesen wird, weil u.a. seine neuen Batteriezellen aus China eine Million Meilen versprechen und Teslas ohnehin konkurrenzlos billiger machen sollen. Hinzu kommt das ach so tolle FSD - Full Self Driving -, das Elon Musk schon seit Jahren angekündigt und auch noch aktiv in seinen Stromern verkauft, aber in Wirklichkeit entwicklungstechnisch noch in den Kinderschuhen steckt, zumal die Forschungs- bzw. Entwicklungskosten (R&D) seit sechs Quartalen rückläufig sind. Über Cybertrucks und Robotaxis brauchen wir daher erst gar nicht zu reden.
Aber hinter dem Kursanstieg steckt noch viel mehr. Einige Analysten behaupten steif und fest, Tesla sei vier Quartale in Folge profitabel gewesen. Bilanztechnisch mag das stimmen. Vergessen wird dabei jedoch gerne, dass der US-Elektroautobauer ohne den Verkauf von Emissionsrechten - die sich im ersten Halbjahr auf sage und schreibe 782 Millionen Dollar beliefen - an General Motors (NYSE:GM), Fiat Chrysler (NYSE:FCAU) oder Ford (NYSE:F) auch weiterhin Unmengen an Cash verbrennen würde und mit seinem Kerngeschäft, dem Herstellen von Elektroautos, weiterhin keinen Cent verdient. Und daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern. Schließlich steigen genau diese Autobauer jetzt ebenfalls in den Elektrofahrzeugmarkt ein, so dass sie zukünftig wohl kaum noch an Elon Musks Tür klopfen werden, um zum Erreichen strikterer amerikanischer Umweltgesetze dem viertreichsten Menschen der Welt noch mehr Geld in den Rachen zu werfen.
Fraglich ist außerdem, ob das Index-Komitee, das für die Zusammenstellung des S&P 500 zuständig ist, Tesla überhaupt in den Index aufnehmen wird, worauf so viele Anleger hoffen. Zwar hat sich der E-Auto-Pioneer mit dem vierten Quartalsgewinn in Folge theoretisch für die Aufnahme qualifiziert. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass er auch in den Index der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen aufgenommen wird. Schließlich basiert die Aufnahme in den Index sowohl auf quantitativen als auch auf qualitativen Faktoren.
Ein Analyst, der mit seiner Einschätzung den Nagel auf den Kopf trifft, ist Gordon Johnson vom US-Analysehaus GLJ Research. Tesla-Aktien hätten sich völlig von der Realität entkoppelt, sagte er gestern in einem Interview mit Yahoo Finance und beließ sein 12-Monats-Kursziel für den derzeit wertvollsten Autobauer der Welt bei 87 Dollar. Ausgehend vom aktuellen Kursniveaus entspräche dies einem Abwärtspotenzial von 95 Prozent.
"Kurz gesagt, Tesla ist im Wesentlichen eine kaputte Wachstumsstory. Das mag sich für einige verrückt anhören, wenn man sich den Aktienkurs ansieht", sagte er im Gespräch mit Yahoo Finance.
Tesla "wird mit mehr als der doppelten Marktkapitalisierung von VW (DE:VOWG_p) gehandelt, dennoch hat VW im vergangenen Jahr 11 Millionen Autos verkauft. Tesla verkaufte letztes Jahr lediglich knapp 370.000 Autos und will in diesem Jahr etwa 500.000 Autos absetzen", erklärte Johnson.
Hinzu kommt, dass der Marktanteil von Tesla auf dem Autokontinent Europa drastisch geschrumpft sei. So stiegen die Absätze von Elektroautos im Juli 2020 gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Drittel. Gleichzeitig ist der Marktanteil von Tesla am europäischen EV-Markt von 18,4 Prozent auf 8,7 Prozent eingebrochen.
Seiner Ansicht nach ist auch die Akzeptanz von Tesla in China nicht so gigantisch, wie einige Analysten, etwa Dan Ives von Wedbush, es gerne aussehen lassen wollen.
"Die Realität ist, dass sie im Monat Juli etwa 11.400 Autos in China verkauft haben. Sie produzierten aber etwa 12.200, also haben sie in Wirklichkeit Lagerbestände aufgebaut, und das obwohl sie dieses Jahr weltweit die Preise gesenkt haben, davon allein viermal in China", fügte Johnson hinzu.
Johnson hält daher an seinem Kursziel für Tesla-Aktien fest und glaubt, dass die Papiere sich im Laufe der nächsten zwölf Monate ihrem fairen Wert von 87 Dollar annähern werden, sobald die Daten "zusammenpassen".
"Die tatsächlichen Daten passen einfach nicht zusammen. Wir glauben, dass Verkäufe einsetzen, sobald die Daten die Realität wiederspiegeln, was unserer Meinung nach die Aktie nach unten spülen dürfte", sagte er.
Auch die sprudelnden Gewinne aus dem Verkauf von Emissionspunkten, worauf einzig und allein die Profitabilität des Unternehmens von Elon Musk beruht, dürften bald austrocknen, so Johnson. Der Grund ist ebenso einfach wie logisch: GM, Fiat Chrysler & Co produzieren mittlerweile selbst emissionsarme Fahrzeuge, weshalb die Einnahmen aus diesem Handel für Tesla schon bald zum Erliegen kommen dürften.
Und trotz all der Negativfaktoren gilt an der Börse: "The trend is your friend, until it ends". Insofern wäre es aktuell wohl noch fatal, Tesla Hals über Kopf zu shorten, insbesondere wenn das Geschäftsmodell an der Börse offenbar zu überzeugen weiß.
Abschließend noch ein Kommentar von Thomas Thornton, dem Gründer des Anlageberatungsunternehmens Hedge Fund Telemetry: "Mehr als 50 Prozent der bislang angehäuften Monatsgewinne im NDX stammen aus zwei Aktien stammen. Eine ist das großartigste Unternehmen der Welt und die andere ist der größte Betrug auf der Welt".
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