- von Andreas Framke und Frank Siebelt
Frankfurt (Reuters) - Deutschlands kleine Banken und Sparkassen stehen nach Meinung der Aufseher zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise zwar besser da als noch vor wenigen Jahren.
Allerdings machen ihnen die ultraniedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) weiterhin das Leben schwer. "Die durch niedrige Zinsen verursachte Durststrecke ist noch längst nicht überstanden", sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret am Mittwoch in Frankfurt. Auf Sicht von fünf Jahren gehen die rund 1500 untersuchten Geldhäuser davon aus, dass ihr Gewinn vor Steuern gemessen an ihrer Bilanzsumme um 16 Prozent schrumpfen wird, weil sie im angestammten Kreditgeschäft nur noch geringe Erträge erwirtschaften können. Bei der letzten Studie hatten die Banken noch prognostiziert, dass die Gewinne um ein Viertel einbrechen würden.
In der von Bundesbank und Finanzaufsicht BaFin aufgelegten Untersuchung wurde einerseits bei den Instituten abgefragt, wie diese selbst die künftige Entwicklung ihres Geschäfts erwarten. Zum anderen wurden die Geldhäuser einem Stresstest unterzogen, bei dem geprüft wurde, wie sie mit verschiedenen Problemen, wie etwa einem plötzlichen und massiven Anstieg der Zinsen oder einer noch lange andauernden Niedrigzinsphase, zurechtkämen. Bei der dritten Erhebung dieser Art kam unter anderem heraus, dass im schlimmsten Fall - bei einem zwar unwahrscheinlichen, aber theoretisch denkbaren, plötzlichen Anstieg des Leitzinses - bis zu 68 Banken und Sparkassen dies nicht überleben würden, weil sie dann ihre Kapitalanforderungen nicht mehr erfüllen könnten.
"ZIEMLICH VIEL WUNSCHDENKEN"
Bundesbank-Vorstand Dombret und der für die Bankenaufsicht zuständige BaFin-Direktor Raimund Röseler forderten die Institute erneut auf, sich andere Ertragsquellen neben dem Zinsgeschäft zu erschließen - etwa durch höhere Gebühren für Beratungsleistungen oder indem sie kostenlose Girokonten abschaffen und die Verbraucher zur Kasse bitten. Die Banken selbst gaben in der Umfrage an, dass sie erwarten, dass dieses so genannte Provisionsgeschäft den Absturz beim Zinsgeschäft weitgehend werde abfedern können. Die Aufseher sehen dies indes skeptisch: "Das ist eine sehr sportliche Annahme", sagte Dombret. Auch Röseler hegte "teilweise Zweifel". "Da ist ziemlich viel Wunschdenken dabei", sagte er. Allerdings sei das "nicht komplett blauäugig".
Fast die Hälfte aller an der Untersuchung teilnehmenden Banken kann sich vorstellen, dass sie in den nächsten fünf Jahren mit einem anderen Institut fusioniert oder aber dieses übernimmt. Dabei sehen sich die meisten der befragten Vorstände eher als diejenigen, die ein anderes Institut schlucken als das sie selbst übernommen werden. Gemessen an den 1500 kleineren Banken würde das im Extremfall bedeuten, dass zwischen 350 und 400 Banken und Sparkassen bis 2021 verschwinden würden. Dombret und Röseler beschwichtigten jedoch: "Die Anzahl der tatsächlichen Fusionen wird sicherlich kleiner sein."
"NICHT KOMPLETT BLAUÄUGIG"
Die Bankenbranche klagt seit langem über die ultraniedrigen Zinsen der EZB, die es ihr immer schwerer machen, Gewinn zu erwirtschaften. Schon die beiden vorherigen Umfragen hatten das unter Beweis gestellt. Der Leitzins der EZB liegt aktuell bei null Prozent. Zudem verlangt die Euro-Notenbank von den Banken einen Strafzins von 0,4 Prozent, wenn diese kurzfristig bei ihr Geld parken. Wie lange die Leitzinsen in der Euro-Zone, an denen zahlreiche Geschäfte der Finanzwirtschaft hängen, noch so niedrig bleiben, ist unklar. Nach Ansicht von EZB-Präsident Mario Draghi ist die Wirtschaft in den 19 Euro-Ländern nach wie vor auf erhebliche Stützung durch die Notenbank angewiesen.
Die deutschen Geldhäuser können laut BaFin damit jedoch auf Sicht noch relativ gut umgehen, weil sie ausreichende Kapitalpolster haben. "Die gute Kapitalausstattung der meisten Institute hilft dabei, die Effekte aus dem Niedrigzinsumfeld anzufedern", sagte Röseler. Viele Banken haben zudem damit begonnen, ihre Kosten massiv zu senken, beispielsweise indem sie Filialen in großem Stil schließen und Personal abbauen. Die Banken selbst sehen vor allem die EZB in der Pflicht: "Die deutsche Kreditwirtschaft plädiert weiterhin und nachdrücklich dafür, dass diese sehr expansive Geldpolitik nicht zum Dauerzustand werden darf, sondern Schritt für Schritt beendet werden muss", teile der Dachverband der Branche mit.
Die Erhebung umfasst 88 Prozent aller deutschen Banken und erstreckt sich auf 41 Prozent der zusammengefassten Bilanzsummen. Seit Herbst 2014 überwachen die EZB und die nationalen Aufseher die Bankenbranche gemeinsam. Dabei ist die EZB für die Aufsicht über die großen, international tätigen Institute verantwortlich, während in Deutschland Bundesbank und BaFin die kleineren Sparkassen und Genossenschaftsbanken kontrollieren.