FULDA (dpa-AFX) - An den Wänden des Veranstaltungssaals in Fulda hängen große Plakate: "Keine Monstertrasse!" Abgebildet sind gewaltige, bis zu 75 Meter hohe Strommasten, die die Landschaft verschandeln. Die will keiner vor der eigenen Haustür haben. Je weiter die Planungen für den Netzausbau im Rahmen der Energiewende in Deutschland gehen, desto größer und sichtbarer werden die Proteste. Von Nord nach Süd organisieren sich die Stromtrassen-Gegner. In Fulda, wo auch Riesenmasten errichtet werden sollen, kamen sie am Samstag zum ersten bundesweiten Konvent der Bürgerinitiativen gegen Suedlink zusammen.
Suedlink - das ist ein zentrales Projekt des Netzausbaus. Eine etwa 800 Kilometer lange Stromtrasse, die Windkraft von Wilster in Schleswig-Holstein nach Grabenrheinfeld in Bayern transportieren soll. Ihr Auftrag: den Ausfall kompensieren, wenn bis 2022 die Atomkraftwerke in Deutschland ausgeschaltet sein sollen.
Suedlink ist ein Milliardenprojekt, das den Menschen entlang des Trassenkorridors Angst einjagt. Sie befürchten unter anderem gesundheitliche Auswirkungen und einen Wertverlust von Immobilien durch die Nähe der Riesenmasten. Die Rede ist von 30 bis 40 Prozent Wertverlust. "Man kann nicht einfach Strommasten durch die Landschaft nageln. Da wollen die Leute nicht mehr wohnen", schimpft der Bürgermeister des oberfränkischen Motten, Jochen Vogel (CSU).
Der genaue Verlauf in dem ausgesuchten Gebietsstreifen durch die Bundesländer ist noch nicht festgelegt, aber der Widerstand wächst. Dem Bundesverband der Bürgerinitiativen gehören mittlerweile mehr als 70 Gruppen an. An dem Basistreffen der Stromtrassen-Gegner in der Fuldaer Orangerie nehmen auch Experten aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft teil. Es wird informiert, diskutiert und gestritten.
Kommunal- und Landespolitiker aus Hessen und Bayern kritisieren die bisherigen Pläne und die Informationspolitik. Die Notwendigkeit einer solchen Leitung müsse nachgewiesen werden, heißt es in Fulda. Die Bundesnetzagentur betont aber, dass die Frage längst geklärt ist. Der Bedarf sei festgestellt, die Realisierung von überragendem öffentlichen Interesse, sagt Sven Serong von der Regulierungsbehörde. Der Vorsitzende der Bürgerinitiativen gegen Suedlink, Guntram Ziepel, fordert dagegen: "Die Gesetze zum Netzausbau im Rahmen der Energiewende müssen überarbeitet werden." Die laufenden Planungen sollten gestoppt werden.
Aktuell muss der Netzbetreiber Tennet sein vorgestelltes Vorgehen überarbeiten. Die Bundesnetzagentur hatte die Pläne im Februar zurückgewiesen. Die Herleitung des vorgeschlagenen Trassenkorridors sei nicht nachvollziehbar. Zudem müssten Umweltfolgen in den betroffenen Regionen deutlicher dargestellt werden. Im Sommer soll es im Verfahrensablauf weitergehen, mit Antragskonferenzen. Dabei sollen unter anderem Informationen zur Raumverträglichkeit gesammelt werden.
Die Stromtrassen-Gegner hoffen darauf, dass anstelle von riesigen, fast alles überragenden Freileitungen die Kabel in der Erde verlegt werden. Den Hinweis auf erheblich höhere Kosten kontert in Fulda ein von den Bürgerinitiativen eingeladener Fachmann, dessen Rechnung die Annahme widerlegen soll.
Der emeritierte Kasseler Arbeits- und Gesundheitsschutz-Professor Hans-Jürgen Martin vermisst noch ausreichende Erkenntnissen über gesundheitliche Auswirkungen solcher "Monstermasten". Vor dem Bau solle unbedingt noch geforscht werden, meint er.
Der Bundesverband der Bürgerinitiativen will weiter auf Probleme und Unklarheiten aufmerksam machen, Wachrütteln, unbequeme Fragen stellen. "Wir haben schon einiges erreicht", sagt der Vorsitzende Ziepel. Er will dafür sorgen, dass die "Monstertrasse" nicht Realität wird.