- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Der stellvertretende EU-Kommissionschef Jyrki Katainen hat China vorgeworfen, die Versprechen für eine Handelsliberalisierung bisher nicht umgesetzt zu haben.
"China hat viel über Freiheit und Offenheit geredet. Aber in Wirklichkeit ist bisher sehr wenig passiert", sagte Katainen am Dienstag in einem Reuters-Interview. "Deshalb ist der Merkel-Besuch sehr wichtig, weil er Klarheit schaffen kann", sagte der Vizepräsident einen Tag vor der China-Reise von Kanzlerin Angela Merkel. Auch die EU-Kommission werde in Kürze hochrangige Wirtschaftsgespräche mit der Führung in Peking aufnehmen.
Der finnische Politiker forderte etwa eine Bewegung Chinas, um die festgefahrenen Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen mit der EU abzuschließen. Zu den von China geforderten Gesprächen über ein Freihandelsabkommen könne man erst übergehen, wenn diese Vereinbarung stehe. Katainen fordert von China dafür eine entschiedenere Marktöffnung. Zwar gebe es Öffnungsversuche für ausländische Investitionen in einigen wenigen Branchen, aber in vielen anderen nicht.
Europäische Firmen klagten auch über andere Probleme wie einem erzwungenen Transfer von Technologie für Firmen, die auf dem chinesischen Markt aktiv sein wollten. Dazu komme das Problem staatlicher Subventionen in vielen Bereichen und der Überkapazitäten der chinesischen Industrie etwa im Stahlbereich.
"China ist ein strategischer Partner der EU, mit dem wir viel gemeinsam haben", betonte Katainen unter anderem mit Blick auf das von den USA aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran. Das Land bekenne sich wie die EU zum Multilateralismus. Aber es müsse nun auch beweisen, dass es dabei Verantwortung übernehme. Dies gelte zum Beispiel für die Reform der Welthandelsorganisation. Katainen sieht China nach eigenen Worten dabei als Partner in der Abwehr von Alleingängen von US-Präsident Donald Trump.
Dennoch betonte der frühere finnische Ministerpräsident, dass die transatlantischen Beziehungen der Eckpfeiler für die EU-Politik blieben. "Und das wird immer so bleiben", auch wenn die Lage schwierig sei.
"FREIESTER MARKT DER WELT"
Chinesische Warnungen vor Protektionismus der Europäer wies Katainen zurück. "Die EU wird nicht protektionistisch. Sie ist der freieste Markt der Welt." Während chinesischen Firmen ohne Probleme in der EU investieren könnten, sei dies umgekehrt nicht der Fall. Das müsse sich ändern. Die Sorge vor dem von der EU-Kommission vorangetriebenen Überprüfungsverfahren für ausländische Investitionen sei unbegründet und habe nichts mit Protektionismus zu tun. In 13 der 28 EU-Staaten gebe es bereits solche Verfahren - wie in China selbst. Hintergrund ist die Sorge von EU-Regierungen, dass China und andere Staaten wichtige Firmen im High-Tech- oder Infrastrukturbereich kaufen könnten.
In der Diskussion über eine Selbstbehauptung der EU gegenüber den USA und China forderte Katainen verstärkte Anstrengungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. "Die EU ist in einer schwächeren Position", räumte er mit Verweis auf die höheren Investitionen in den USA und China in diesem Bereich ein. "Europäer ist derzeit im Rückstand. Aber das heißt nicht, dass wir es in fünf oder zehn Jahren noch sein müssen." Die EU-Kommission wolle mehr Unternehmen ermuntern, in Forschung und Entwicklung zu investieren.
Katainen sagte, in Europa gebe es bereits eine ähnliche Zahl von Start-ups wie in den USA. Der europäische Kapitalmarkt sei aber nicht so weit entwickelt, diesen Firmen ausreichend Wachstum zu helfen. Deshalb würden sie oft von amerikanischen IT-Konzernen geschluckt. Ein Verbot dieser Übernahmen lehnte Katainen aber ab.