(Behebt Tippfehler im ersten Satz, "an diesem Dienstag", nicht "am")
* Kanzlerin stellt Biographie ihres Vorgängers vor
* Beide bekennen sich zur Lust an der politischen Macht
* Merkel und Schröder betonen Gemeinsamkeiten
- von Andreas Rinke
Berlin, 22. Sep (Reuters) - Dass Angela Merkel an diesem Dienstag einen rötlichen Blazer und eine schwarze Hose trägt, ist natürlich kein Zufall. Denn als die Kanzlerin vor den aufgestellten Kameras ins Haus der Bundespressekonferenz geht, hat sie gleich eine doppelte Aufgabe vor sich. Offiziell geht es um die Vorstellung einer Biografie über ihren Vorgänger Gerhard Schröder. Aber dies ermöglicht der CDU-Chefin einerseits, ein sowohl farbliches wie auch inhaltliches Signal der Harmonie an ihre große Koalition zu senden. Andererseits wird fast alles, was in dem mit der Hauptstadtpresse prall gefüllten Raum gesagt wird, natürlich auch auf ihre fast zehnjährige Amtszeit bezogen.
Also hagelt es freundliche Bekenntnisse zum Wirken und zur Vita des früheren SPD-Kanzlers, den Merkel als Aufsteiger, Kämpfer und Reformer preist. Dass er ein Machtmensch sei und sich dazu auch bekenne, werde in der mehr als 1000-seitigen Biografie von Gregor Schöllgen richtig beschrieben. "Ich sage: Recht hat er", fügt Merkel hinzu. In der Politik brauche man diesen Willen zum Gestalten, wie etwa bei der Reformagenda 2010. Auch danach betonen sie und Schröder eigentlich fast nur Gemeinsamkeiten. Und allen wird klar: Auf der Bühne sitzen zwei politische Alpha-Tiere, die sich gegenseitig respektieren und schätzen, eben weil sie es beide bis an die Spitze geschafft haben. Das verbindet mehr als politische Unterschiede trennen.
Sogar in der Beurteilung jener legendären TV-Elefantenrunde nach der Bundestagswahl am 18. September 2005 sind sich beide einig, die ein frotzelnder, selbstironischer Schröder als "eine der wirklichen Kultsendungen" bezeichnet. Beide widersprechen der These Schöllgens, dass erst sein harsches Verhalten am Wahlabend der durch das schlechte Wahlergebnis angeschlagenen CDU-Herausforderin Merkel den Weg ins Kanzleramt geebnet habe. Das sei Unsinn, meinen beide und erklären den Anwesenden, wie Politik funktioniert.
"BEGNADETER WAHLKÄMPFER"
"Ich habe die CDU als sehr machtbewusste Partei kennengelernt", sagt Schröder. Auch mit dem knappen Vorsprung hätte die Union auf jeden Fall auf den Kanzlerposten bestanden. Merkel stimmt zu - und lobt Schröder als "begnadeten Wahlkämpfer", den sie nie unterschätzt habe. Als die Kanzlerin gefragt wird, ob sie ihn damals auch in ihrem Kabinett akzeptiert hätte, lachen beide - wieder haben die Journalisten das Wesen von Alpha-Tieren nicht verstanden. Dann fügt die heutige Chefin ein versöhnliches, selbstbewusstes "Da wäre ich auch mit klar gekommen" hinzu.
Und weil beide Machtmenschen sind, achten sie sorgfältig auf die Dramaturgie der Buchvorstellung. Schröder weiß, dass es zwar eigentlich um ihn und die Biografie geht - dann aber doch die amtierende Kanzlerin mit ihren Antworten im Mittelpunkt steht. Und da es eine freundliche Geste der CDU-Chefin ist, die Biografie eines ehemaligen SPD-Vorsitzenden vorzustellen, verkneift er sich jeden Kommentar zu aktuellen politischen Fragen - mit einer Ausnahme: Wie die Flüchtlingskrise gelöst wird, "wird davon abhängen, wie schnell und wie mutig ein neues Einwanderungsgesetz gemacht wird", sagt er. Merkel hört aufmerksam zu, verzieht aber keine Miene.
Denn nichts soll das gemeinsame Bekenntnis der beiden Kanzler stören, wie schön es an der Regierungsspitze ist. Beide gönnen sich sogar das gegenseitige Bekenntnis, wie wichtig beim Regieren die Prinzipien seien. "Nicht Hudeln beim Machterhalt", lautet Schröders Fazit. Merkel nickt.
MIT ZWEI JAHREN VERZUG IN DIE KANZLERGALERIE
Am Ende erscheint sie als die härtere Politikerin des Duos, obwohl sie erzählt, dass sie sich 2005 "unheimlich" über den Kuchen des Vorgängerteams im leeren Kanzlerbüro gefreut habe. Aber schon bei der Einführung wird daran erinnert, dass Merkel bereits in den 90er Jahren angekündigt hatte, Schröder "irgendwann in die Ecke zu stellen". Und als die CDU-Chefin nach Fehlern ihres Vorgängers gefragt wird, piekst sie in die Wunde und verweist auf seinen Rücktritt als SPD-Vorsitzender 2004. Da habe sie an die Endlichkeit der Herrschaft Schröders gedacht, sagt die Machtfrau.
Für Schröder ist diese bei aller Freundlichkeit gezeigte Härte seiner einstigen politischen Gegnerin spätestens seit 2007 bekannt. Damals - zwei Jahre nach Merkels Machtübernahme - weihte man gemeinsam sein neues Porträt in der Kanzlergalerie im ersten Stock des Kanzleramtes ein. "Nun brauchen die Besucherinnen und Besucher nicht mehr zu fragen: Warum wird Schröder eigentlich nicht aufgehängt?" sagte Merkel süffisant mit dem Hinweis darauf, dass das von Jörg Immendorff gemalte Bild so lange auf sich warten ließ. (Redigiert von Alexander Ratz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern +49 69 7565 1312 oder +49 30 2888 5168.)