* Türkischer Leitindex erreicht neue Rekordwerte
* Experten: Türkei profitiert von Euro-Schuldenkrise
* Wirtschaft wächst 2010 wohl um sechs Prozent
- von Tom Körkemeier -
Frankfurt, 05. Okt (Reuters) - Der türkische Aktienmarkt ist in diesem Jahr zum Liebling vieler Investoren avanciert. An der Börse in Istanbul konnten sie Gewinne einfahren, die an den übrigen Märkten der wachstumsstarken Schwellenländer nur noch selten zu erzielen sind. In der letzten Septemberwoche erreichte der türkische Leitindex ISE 100<.XU100> mit 65.774 Zählern einen neue Höchststand - seit Jahresanfang legte er sogar um fast 25 Prozent zu. Dagegen schaffte es der MSCI-Index<.MSCIEF> für alle Schwellenländer im gleichen Zeitraum lediglich auf ein Plus von rund zehn Prozent.
Die türkischen Märkte profitierten in diesem Jahr nach
Expertenmeinung vor allem davon, dass das Land kein Mitglied der
Eurozone ist: Die Schuldenkrise im Frühsommer, ausgelöst von
immensen Haushaltsproblemen in Griechenland, Spanien und
Portugal, erschütterte das Vertrauen in die Stabilität der
gesamten Währungsunion. Viele Portfolio-Manager investierten
deshalb vor allem im Devisenbereich lieber in die Türkei. Auch
die jüngste Dollar-Schwäche machte die Lira attraktiv. Die
türkische Devise erreichte zur US-Währung
"Die Türkei hatte mit am stärksten unter den Produktionseinbrüchen der letzten Jahre zu leiden, daher ist jetzt der Aufschwung mit am stärksten", erklärte Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Das spiegele sich auch am Aktienmarkt wider. Gründe für die Entwicklung lägen im enormen Aufholpotenzial der Türkei in Verbindung mit einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik. "Sosehr sich die Regierungspartei in gesellschaftlichen Fragen konservativ gegeben hat - in der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sie einen modernen Kurs verfolgt."
AUFSCHWUNG AM BOSPORUS
Rückenwind gab Analysten zufolge auch das Anfang September von der Regierungspartei AKP gewonnene Verfassungsreferendum. "Die Dynamik der Märkte bezieht sich aber nicht vollständig auf das Referendum", sagte Namik Aksel, Chef des Vermögensmanagement von HSBC in der Türkei. "Was den türkischen Markt vorantreibt, ist seine Neubewertung. Die Türkei entwickelt sich von allen europäischen Schwellenländen am stärksten."
Deka-Volkswirt Kater weist darauf hin, dass die Türkei an den Märkten bereits eine bessere Bonität genießt als einige Länder der Eurozone. "Für Anleger stehen die Ampeln in der Türkei derzeit auf Grün." Dennoch müssten die Rahmenbedingungen immer beobachtet werden - Risiken ergäben sich in der Türkei wie in anderen Schwellenländern besonders dann, wenn die mittelfristigen Wachstumsaussichten ins Wanken kämen. "Gegenwärtig ist die Entwicklung in der Türkei aber stabil, politisch wie ökonomisch."
Mit einem Wirtschaftswachstum von voraussichtlich sechs Prozent in diesem Jahr, das vor allem auf einer starken Binnennachfrage basiert, wird das Risiko für Investitionen am Bosporus derzeit in der Tat als gering eingeschätzt.
Sorgen bereitet manchen Beobachtern indes das steigende Handelsdefizit, das im August um 38 Prozent auf 6,88 Milliarden Dollar angeschwollen ist. Die Exporte erhöhten sich zwar um neun Prozent auf 8,5 Milliarden Dollar, die Importe kletterten aber zugleich um 20 Prozent auf rund 15,4 Milliarden Dollar.
(Mitarbeit: Alexandra Hudson und Evren Ballim; redigiert von Martin Zwiebelberg)