Berlin, 08. Nov (Reuters) - Vizekanzler Olaf Scholz hält den knappen Wahlausgang und die Polarisierung in den USA auch für eine Warnung an Deutschland. Es sei nicht nur ein tagelanger Polit-Krimi gewesen, sondern es sei auch eine eindringliche Warnung, wohin es führen könne, wenn eine Gesellschaft sich spalten lasse, schreibt der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". In den USA sei es nicht allein der Gegensatz zwischen Arm und Reich, der das Land spalte. Es sei der immer stärker wachsende Gegensatz zwischen Großstadt-Bewohnern und der Landbevölkerung.
"Auch bei uns in Deutschland ist zu beobachten, dass die Gesellschaft auseinanderläuft. Dass sich manche wie Bürgerinnen oder Bürger zweiter Klasse fühlen", erklärte Scholz. Der Finanzminister rief daher die Deutschen zu mehr gegenseitigem Respekt auf. "Auch um diese Frage wird es bei uns in den nächsten Wochen und Monaten in der politischen Auseinandersetzung gehen."
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble äußerte sich besorgt um den Zustand der Demokratie. "Unser Modell einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie ist unter großem Druck. Und zwar fast überall im Westen – an vielen Stellen in Europa, in den Vereinigten Staaten", sagte der CDU-Politiker der Zeitung. Ursache sei, dass die Bindekräfte der Volksparteien schwänden und die Zersplitterung und Polarisierung der westlichen Gesellschaften durch Globalisierung und Digitalisierung zunähmen. Die Corona-Pandemie verstärke das noch. "Gleichzeitig steckt die westliche Demokratie im Wettstreit der Systeme mit dem autoritären chinesischen Modell."