- von Michelle Nichols und Sabine Siebold
New York/Berlin (Reuters) - Seit seinem Debüt bei den Vereinten Nationen vor einem Jahr hat US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt, den UN-Menschenrechtsrat verlassen und einige der engsten Verbündeten der USA mit scharfer Kritik überzogen.
Kommende Woche bei der UN-Vollversammlung in New York dürfte er seinem harten Kurs treu bleiben. "Es ist nicht so, dass Multilateralismus nicht funktionieren könnte", stimmte die US-Botschafterin bei den UN, Nikki Haley, das Publikum auf Trumps Rede am Dienstag ein, dem ersten Tag der Generaldebatte. "Aber die nationale Souveränität hat Vorrang gegenüber all dem." Deutschland dagegen hat es sich zur Aufgabe gemacht, während seiner Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat in den kommenden beiden Jahren gerade den Multilateralismus wieder zu stärken. Für die Bundesregierung nimmt Außenminister Heiko Maas die ganze Woche an dem Treffen teil, zu dem rund 130 Staats- und Regierungschefs erwartet werden.
Die USA wollten nicht involviert sein in Dinge, die sie mit Auflagen einengten, bekräftigte die für ihre harschen Worte bekannte Haley die Position ihres Landes. Sie verwies auf das Pariser Klima-Abkommen, aus dem Trump bereits 2017 ausstieg, und Verhandlungen über einen internationalen Migrationspakt, aus denen sich die USA schon vor dem Start zurückzogen. In den vergangenen Monaten reduzierten die USA zudem drastisch die finanzielle Unterstützung für das UN-Hilfswerk für die Palästinenser und lösten einen Handelskrieg mit China aus. Beim Nato-Gipfel im Juli sorgte Trump dann für einen Eklat, als er mit dem Austritt seines Landes aus dem Bündnis drohte, falls die Partner ihre Wehrausgaben nicht erhöhten.
"WENN SICH ETWAS ÄNDERN SOLL, MUSS MAN FÜR ÄRGER SORGEN"
Am Rande der Vollversammlung will sich Trump mit den Staats- und Regierungschefs von Südkorea, Ägypten, Frankreich, Israel, Japan und Großbritannien treffen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der ein gutes Verhältnis zu seinem US-Kollegen hat, dürfte dabei die Bedeutung des Multilateralismus unterstreichen. "Wir werden die USA weiter ermutigen, sich am Multilateralismus zu beteiligen, selbst wenn es schwierig ist bei einigen Themen wie Handel, Iran oder Klima", hieß es im französischen Präsidialamt. Der Streit über den Handelsbilanzüberschuss Japans dürfte denn auch das Treffen zwischen Trump und dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe dominieren. Thema des Gesprächs mit Südkoreas Präsident Moon Jae Inwird es sein, wie die Abrüstung Nordkoreas vorangetrieben werden kann.
Am Mittwoch leitet Trump eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats, bei der es um die Eindämmung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen gehen wird. Auch hier dürfte Nordkorea Thema sein, außerdem ist mit scharfen Angriffen Trumps an die Adresse des Iran zu rechnen. "Wenn man will, dass sich etwas ändert, muss man für Ärger sorgen", beschreibt ein hochrangiger UN-Diplomat die Herangehensweise der Trump-Regierung an außenpolitische Fragen im vergangenen Jahr. "Man wirft alles in die Luft und schaut, wo die Teile landen. Und der Präsident ist ein Meister darin, den Erfolg für sich zu beanspruchen, selbst wenn die Teile, wenn man sie wieder zusammensetzt, ziemlich genau so ausschauen wie vorher."
Vor einem Jahr knüpfte sich Trump Nordkorea vor. Er drohte dem Land vom UN-Pult mit der totalen Zerstörung gedroht und sorgte damit für Kriegsangst. Später dann traf er sich mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Mittlerweile stocken die Gespräche jedoch wieder, konkrete Abrüstungsmaßnahmen des Atomwaffenstaates Nordkorea stehen noch aus.
Maas wird voraussichtlich am Freitag vor der Vollversammlung reden. Auf Deutschland dürfte nach Einschätzung des Experten Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in diesem Jahr das besondere Augenmerk der übrigen Staaten liegen, und zwar nicht nur wegen der anstehenden Sicherheitsratsmitgliedschaft, sondern auch wegen der Konflikte in Syrien und über das Atomabkommen mit dem Iran. "Die Deutschen haben enge Verbindungen zu China, zu Russland, sind im Prinzip der gefragteste Staat in Europa, wenn es um diese Fragen geht", sagt Riecke. "Ich glaube, die Deutschen werden der zentrale europäische Staat sein dabei."