Berlin (Reuters) - Ursula von der Leyen hat einen Tag vor der Abstimmung des EU-Parlaments über ihre Nominierung zur EU-Kommissionspräsidentin mit neuen Angeboten um Zustimmung geworben.
In einem Reuters am Montag vorliegenden, achtseitigen Brief an Liberale und Sozialdemokraten verspricht die Bundesverteidigungsministerin unter anderem als neue Präsidentin der Brüsseler Behörde die Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen zu verschärfen. Sie schlage bis 2030 eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes von mindestens 50 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Zudem stellte sie sich hinter eine europäische Arbeitslosenversicherung sowie eine Reform der Aufsicht von Recht und Gesetz in den Mitgliedsstaaten und der Flüchtlings- und Außenpolitik.
Das europäische Parlament wird am Dienstagabend über die Nominierung der CDU-Politikerin durch den EU-Rat abstimmen. Es wird mit einer knappen Entscheidung gerechnet. Von der Leyen benötigt die absolute Mehrheit von 376 der 751 Stimmen. Sowohl die europäischen Sozialisten (S&D) mit 154 Abgeordneten als auch die Liberalen (Renew) mit 108 Stimmen halten sich ihr Votum bislang offen. Wird von der Leyen gewählt, wäre sie die erste Frau an der Spitze der Brüsseler Behörde und die erste Deutsche nach mehr als 50 Jahren.
Von der Leyen kämpft seit Tagen um Zustimmung bei den Fraktionen und war aufgefordert worden, präzisere Vorschläge vorzulegen. Die 16 SPD-Abgeordneten haben aber schon angekündigt, gegen sie stimmen zu wollen. CSU-Chef Markus Söder forderte die SPD-Europaabgeordneten auf, ihre Meinung zu ändern. Sollte von der Leyen an den Stimmen der SPD scheitern, "ist das eine schwere Belastung". Der EU drohe eine Krise, sollte sich das Parlament gegen die Entscheidung der EU-Regierungschefs stellen.
SÖDER WARNT VOR AUSWIRKUNGEN AUF GROSSE KOALITION
Söder warnte zudem vor negativen Auswirkungen auf das Regierungsbündnis von CDU, CSU und SPD in Deutschland. "Das Ganze schwächte die große Koalition enorm", sagte er mit Verweis auf ein SPD-Papier gegen von der Leyen. Niemand in der Union käme auf die Idee, ein solches "Pamphlet" gegen einen SPD-Minister anzufertigen. Sollten die SPD-EU-Abgeordneten bei ihrer ablehnenden Position bleiben, schmälere dies die Aussicht auf ein erfolgreiches Miteinander in den nächsten zwei Jahren.
Von der Leyen geht in ihrem Brief auf Vorbehalte gegen sie ein und legt sich für den Fall ihrer Wahl für die kommenden fünf Jahre fest. Anders als die CDU spricht sie sich etwa für ein europäische Arbeitslosenversicherung aus, die unter anderem die SPD befürwortet. Zudem wolle sie die Bankenunion vollenden und ein europäisches Einlagensicherungssystem schaffen. Sie bekennt sich zudem dazu, in der EU-Kommission für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen zu sorgen. Sie verspricht, das Spitzenkandidaten-Prinzip stärken und sogenannten transnationalen Listen bei den nächsten Europawahlen einführen zu wollen. Von der Leyen stellt sich zudem hinter ein Initiativrecht des europäischen Parlaments bei Gesetzesvorhaben.
Polens Präsident Andrzej Duda sprach sich dafür aus, dass der Kommissionspräsident auf jeden Fall von der konservativen Parteiengruppe EVP gestellt werden sollte. Diese wurde stärkste Fraktion im Europaparlament.