Die Finanzwelt kann manchmal recht chaotisch wirken: Kursschwankungen, Makrotrends, geopolitische Einflüsse und die ewig schwankende Psychologie der Anleger. In genau diesem Trubel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Name besonders hervorgetan, wenn es um den langfristigen und wertorientierten Ansatz geht: Benjamin Graham. Er gilt als Wegbereiter des „Value Investing“ und hat mit seinen Büchern und Formeln auch heutzutage noch einen gewaltigen Einfluss. Eine dieser Formeln, die Graham-Zahl (auch „Benjamin-Graham-Number“ genannt), soll Anlegern dabei helfen, den höchstmöglichen Kaufpreis für eine Aktie zu bestimmen, sodass noch ein schöner Sicherheitspuffer bleibt. Doch warum ist diese Zahl heute noch so relevant? Schauen wir uns das mal genauer an.
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Was genau ist die Graham-Zahl?
In Kurzform: Die Graham-Zahl ist eine Kennziffer, die angibt, welchen maximalen Preis du für eine Aktie bezahlen solltest, wenn du nach den klassischen Prinzipien des Value Investing vorgehst. Sie basiert auf zwei leicht zugänglichen Fundamentaldaten: den Gewinnen je Aktie (Earnings per Share, kurz EPS) und dem Buchwert je Aktie (Book Value per Share, BVPS). Dabei geht es Benjamin Graham vor allem darum, das Risiko zu reduzieren. Seine Kernidee war, jede Aktie nur mit einem gewissen „Rabatt“ auf ihren inneren Wert zu kaufen. Denn je günstiger du eine Aktie (gemessen an ihrer Substanz und Ertragskraft) erwirbst, desto weniger Risiko hast du, wenn es am Markt mal wieder turbulent zugeht.
Die Formel hinter der Graham-Zahl
Wenn du tiefer in die Materie einsteigst, wirst du feststellen, dass Graham eine ganz einfache Rechenmethode wählte. Diese lautet:
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Warum 22,5? Dahinter stecken Grahams Vorstellungen, dass ein vernünftiger Investor eine Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von höchstens 15 kaufen und zudem das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 1,5 nicht überschreiten sollte. Multiplizierst du 15 und 1,5, erhältst du 22,5. Diese Zahl setzt er mit EPS und BVPS in Beziehung. Das Ergebnis verrät dir: Bis zu diesem Kurs kann man vermutlich einsteigen, ohne in eine überteuerte Bewertung zu laufen – zumindest aus traditioneller Value-Sicht.
Konkretes Zahlenbeispiel
Nehmen wir an, ein fiktives Unternehmen glänzt mit einem Gewinn je Aktie (EPS) von 6 US-Dollar und hat einen Buchwert je Aktie (BVPS) von 40 US-Dollar. Wie ermitteln wir die Graham-Zahl? Ganz simpel:
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Wenn der aktuelle Marktpreis für diese Aktie bei 70 US-Dollar liegt, läge er leicht unter der Graham-Zahl. Aus Sicht eines Graham-Jüngers wäre das interessant: Du kaufst quasi unter dem von Graham vorgeschlagenen Höchstkurs – und hast also noch ein kleines Wertaufholpotenzial und hoffentlich weniger Risiko in der Rückhand. Sollte der Marktpreis aber deutlich über 73,48 US-Dollar liegen, zum Beispiel bei 90 US-Dollar, spricht das tendenziell dafür, dass der Titel zumindest gemäß dieser Kennziffer schon ziemlich teuer ist.
Warum die Graham-Zahl so wichtig sein kann
Gerade im Value Investing geht es nicht nur darum, sogenannte „unterbewertete“ Aktien zu finden, sondern dies auch unter möglichst konservativen Annahmen zu tun. Je höher man selbst sein Sicherheitsnetz spannt, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit einer bösen Überraschung. Die Graham-Zahl reduziert den Bewertungsprozess zwar auf zwei wesentliche Kennzahlen (Gewinn und Buchwert), aber genau das ist ihr großer Pluspunkt: Man braucht keine komplizierte Firmenbewertungssoftware oder tiefgründige Cashflow-Prognosen. Mit EPS, BVPS und einem Taschenrechner kommt man zu einer ersten groben Orientierung. Das ist vor allem praktisch, wenn man ein großes Aktienuniversum schnell durchforsten will.
Was bedeutet ein hoher Wert der Graham-Zahl?
Du kannst das Ergebnis natürlich deuten: Ein hoher Graham-Zahl-Wert kann bedeuten, dass das Unternehmen entweder ordentlich verdient (hoher EPS) oder starke Substanz besitzt (hoher BVPS) – oder beides. Das allein ist jedoch nicht automatisch ein Kaufargument. In der Praxis willst du als Anleger sehen, dass der tatsächliche Börsenkurs möglichst deutlich unter diesem Ergebnis liegt. Ein hoher theoretischer Wert bringt nichts, wenn der reale Kurs das schon weit überschritten hat. Umgekehrt kann ein hoher Graham-Wert auch eine Überhitzung andeuten, falls das Unternehmen bereits eine sehr optimistische Gewinnerwartung enthält oder Bilanzwerte aufbläht. Das ist eben der Haken an jeder Kennziffer: Sie ist nur so gut wie die Zahlen, die du hineingibst.
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Was bedeutet ein niedriger Wert der Graham-Zahl?
Ist die Graham-Zahl ungewöhnlich niedrig, kann das auf mehrere Dinge hinweisen. Vielleicht ist das EPS des Unternehmens sehr gering oder negativ – was gleichbedeutend wäre mit mangelnder Ertragskraft. Oder das Unternehmen hat kaum Eigenkapital, weshalb der Buchwert je Aktie entsprechend knapp ausfällt. Manchmal kann es sogar sein, dass das Unternehmen noch jung ist oder sehr schnelle Wachstumskurven anstrebt, was häufig heißt: Kaum Profit jetzt, erhofftes Wachstum morgen. Solche Fälle waren zu Grahams Zeiten eher untypisch (er legte mehr Wert auf etablierte Firmen mit substanziellen Vermögenswerten). Für heutige Wachstumsunternehmen aus Tech und Co. ist die Graham-Zahl deshalb nur bedingt tauglich.
Anwendung in der Praxis: Value-Filter
Viele Investoren nutzen die Graham-Zahl als ersten Filter, um ihren Aktienbestand einzugrenzen. Stell dir vor, du gehst eine Liste mit 200 Werten durch: Du könntest bei jeder Aktie EPS, BVPS und den aktuellen Kurs checken. Dann berechnest du die Graham-Zahl und vergleichst sie mit dem Kurs. Alle Aktien, deren Kurs deutlich unter der Graham-Zahl notiert, legst du auf einen „Zu Untersuchen“-Stapel. Der Rest fällt durchs Raster. Anschließend beschäftigst du dich genauer mit den überlebenden Kandidaten. Dieser Screening-Ansatz spart Zeit und sorgt für fokussierte Recherchen. Allerdings sollte die Graham-Zahl nie dein einziges Kriterium sein.
Interpretation der Graham-Zahl: Überbewertet oder unterbewertet?
Liegt der Marktpreis einer Aktie über der Graham-Zahl, kann man das salopp so deuten: „Hier besteht eine gewisse Gefahr, dass die Aktie über ihrem fairen Wert notiert.“ Denn laut Graham kann das bedeuten, dass entweder das KGV zu hoch, das KBV ausgereizt oder beides ist. Andersherum suggeriert ein Kurs unterhalb der Graham-Zahl, dass da noch Luft nach oben sein könnte. Dieser Ansatz funktioniert besonders gut bei klassischen Value-Branchen wie Industrie, Einzelhandel, Banken, Versicherungen oder Versorgern. Bei jungen Software-Unternehmen, Streaming-Diensten oder anderen Digitalfirmen kann das Bild täuschen, weil Buchwerte (zum Beispiel immaterielle Assets) in der Bilanz schwieriger zu erfassen sind.
Vorteile der Graham-Zahl
Sie hat gleich mehrere Pluspunkte:
- Übersichtlichkeit: Du brauchst lediglich EPS, BVPS und einen festen Multiplikator (22,5). Das geht schnell und unkompliziert.
- Konzentration auf Substanz: Durch die Einbeziehung des Buchwerts erkennen wir, ob ein Unternehmen substanziell solide dasteht.
- Diszipliniertes Investieren: Wer sich streng nach der Graham-Zahl richtet, neigt weniger dazu, wahllos oder überteuert zuzukaufen. Man wartet auf den richtigen Zeitpunkt, bis der Kurs unter der magischen Grenze liegt.
- Historischer Background: Grahams Ansätze haben sich über Jahrzehnte bewährt, was vielen Investoren Zuversicht gibt, wenn sie sich an dieses Raster halten.
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Vergleich mit anderen Bewertungsmethoden
Natürlich gibt es Dutzende weiterer Methoden, um den inneren Wert einer Aktie zu bestimmen. Viele Analysten nutzen z. B. das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) allein. Doch im Gegensatz zum KGV berücksichtigt die Graham-Zahl auch den Buchwert. Dann gibt es noch das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF). Hierbei werden die zukünftigen Zahlungsströme (Cashflows) geschätzt und auf den heutigen Tag abgezinst. Das kann genauer sein, ist aber auch aufwendiger und hängt stark davon ab, welche Wachstumsraten du annimmst. Die Graham-Zahl eignet sich eher als erster, solider Check. Willst du anschließend genauer wissen, wie die Zukunftsaussichten sind, könntest du ein DCF-Modell draufpacken, um deine Analyse abzurunden.
Grenzen der Graham-Zahl
So charmant diese Kennzahl auch wirkt, sie kommt nicht ohne Einschränkungen daher. Insbesondere moderne Tech-Firmen oder starke Wachstumstitel fallen oft durchs Raster, weil sie zwar hohe Gewinne einfahren, aber relativ wenig Buchwert haben. Auch Firmen, die viel mit immateriellen Werten (Markenwert, Patente, Netzwerkeffekte) glänzen, lassen sich damit nur bedingt erfassen. Graham selbst war bewusst, dass nicht jede Kennziffer für jedes Geschäftsmodell taugt. Er entwickelte dieses Konzept zu einer Zeit, als Firmen oft recht greifbare Produktionsanlagen oder andere gut bilanziell messbare Werte hatten. Die heutige Welt mit SaaS-Angeboten, Cloud-Services oder E-Commerce-Entwicklern sah er so natürlich nicht kommen.
Risikomanagement und Margin of Safety
Eines der zentralen Prinzipien von Graham ist die Sicherheitsmarge („Margin of Safety“). Wenn du eine Aktie deutlich unter ihrem fairen Wert kaufst (dieser faire Wert kann eben durch Kennzahlen wie die Graham-Zahl grob bestimmt werden), hast du Spielraum nach unten, bevor du in die Verlustzone rutscht. Anders gesagt: Wenn der Markt mal Panik schiebt oder eine Flaute eintritt, stehst du als Schnäppchenjäger besser da als jene, die zum Höchstkurs gekauft haben. Die Graham-Zahl ist quasi eine einfache Orientierungshilfe, damit du dich nicht vorschnell in Aktien einkaufst, die zwar super klingen, aber auf dem Papier zu teuer sind.
Praktischer Nutzen für Screening und Sektorwahl
Besonders gern wird die Graham-Zahl bei klassischen Substanzwerten herangezogen. Sektoren wie Versorger, Banken, Versicherungen, Industrieunternehmen oder auch Rohstoffproduzenten eignen sich oftmals gut, weil sie üblicherweise eine klar messbare Anlagebasis (Maschinen, Immobilien, Finanzportfolios) und relativ konstante Gewinne haben. Steht ein Ölkonzern oder ein Energieversorger plötzlich massiv unter seinem Graham-Wert, könnte das eine Gelegenheit sein, wenn man davon ausgeht, dass der Markt eventuell zu pessimistisch geworden ist. Aber: Immer schön dran denken, dass du auch die Zukunftsperspektive des Geschäfts im Blick behältst, nicht nur die Vergangenheitszahlen!
Kombination mit anderen Analysen
Sobald du einen spannenden Kandidaten gefunden hast, der bei Graham gut abschneidet, ist die eigentliche Arbeit noch nicht vorbei. Vielleicht hat das Unternehmen gerade eine Klage am Hals oder plant eine teure Übernahme. Eventuell sind die Zahlen veraltet, oder es gab in letzter Zeit Änderungen in der Bilanzierung. Ein gründlicher Blick ins Geschäftsmodell, der Wettbewerb, die Marktposition und die Innovationsfähigkeit gehören immer dazu. Die Graham-Zahl ist toll, um schnell zu prüfen, ob etwas auf den ersten Blick nach Value aussieht. Aber allein auf Basis eines einzelnen Wertes alle Investitionsentscheidungen zu treffen, wäre zu einseitig.
Ein Wort zu Wachstums- und Tech-Aktien
Wenn du aufstrebende Tech-Titel analysierst, wird dir die Graham-Zahl oft einen ziemlich niedrigen Wert geben. Entweder ist der Buchwert minimal, weil viel in Forschung, Software und Lizenzen steckt, oder die Gewinne sind (noch) nicht hoch genug. Da kann es leicht sein, dass die Formel dir einen Kaufpreis errechnet, der deutlich unter dem, was der Markt aktuell verlangt, liegt. Wer in Trendbranchen investiert, sollte sich bewusst sein, dass Grahams konservative Methode hier womöglich kein passender Maßstab ist. Trotzdem kann es nicht schaden, sie als „Reality Check“ anzuwenden: Wer weiß, ob sich der Markt nicht tatsächlich irgendwann abkühlt und eine Überbewertung korrigiert.
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15 bekannte Zitate von Benjamin Graham
- „Der größte Feind des Anlegers ist wahrscheinlich er selbst.“
Interpretation: Graham betont, dass nicht vorrangig der Markt, sondern vielmehr unsere eigenen Emotionen wie Gier, Angst oder Ungeduld zu Fehlentscheidungen führen. Wer in sich selbst den stärksten Gegner erkennt und lernt, Emotionen zu kontrollieren, investiert langfristig erfolgreicher.
- „Auf kurze Sicht ist der Markt eine Wahlmaschine, auf lange Sicht aber eine Waage.“
Interpretation: Kurzfristig können Kurse durch Stimmungen, Trends und Nachrichten in die Höhe oder Tiefe getrieben werden („Voting Machine“). Langfristig aber setzt sich der wahre Wert eines Unternehmens durch („Weighing Machine“). Anleger sollten sich daher auf fundamentale Daten konzentrieren, nicht auf kurzfristige Schwankungen.
- „Du hast nicht deswegen Recht oder Unrecht, weil die Masse anderer Meinung ist. Du hast Recht, weil deine Daten und deine Argumentation korrekt sind.“
Interpretation: Graham ermutigt hier zum eigenständigen Denken. Nur weil alle anderen kaufen oder verkaufen, heißt das nicht, dass sie Recht haben. Er betont, wie wichtig Daten und solide Analysen sind, um unabhängig vom Gruppendruck zu guten Entscheidungen zu kommen.
- „Investieren ist am klügsten, wenn es sich am meisten wie eine Geschäftstätigkeit verhält.“
Interpretation: Für Graham sollte man sich bei jeder Anlageentscheidung wie ein Unternehmer verhalten: Zahlen prüfen, Risiken abschätzen und nicht rein spekulativ handeln. So minimiert man Fehleinschätzungen und erringt langfristig Vorteile.
- „Eine Investitionsentscheidung ist eine, die nach gründlicher Analyse einen Schutz des eingesetzten Kapitals und eine angemessene Rendite verspricht. Alle Entscheidungen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind spekulativ.“
Interpretation: Graham grenzt hier den Begriff „Investition“ klar von „Spekulation“ ab. Echtes Investieren beruht seiner Ansicht nach immer auf sorgfältiger Fundamentalanalyse, ausreichendem Schutz des Kapitals und der Aussicht auf eine vernünftige Rendite. Alles andere stuft er als Spekulation ein, bei der Risiken deutlich höher sein können.
- „Während Begeisterung anderswo für große Leistungen notwendig sein mag, führt sie an der Wall Street fast unweigerlich zu einer Katastrophe.“
Interpretation: In vielen Lebensbereichen kann Enthusiasmus ein Antreiber für Erfolg sein. An der Börse hingegen vernebelt übertriebene Begeisterung oft den Blick auf Risiken und Fakten. Graham mahnt daher zu kühlem Kopf und Sachlichkeit, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.
- „Gute Anlageergebnisse zu erzielen ist einfacher, als die meisten denken; überragende Ergebnisse zu erzielen ist jedoch schwieriger, als es scheint.“
Interpretation: Graham möchte sagen, dass ein solider, langfristiger Erfolg an der Börse keine Raketenwissenschaft ist – wer grundlegende Prinzipien befolgt, erreicht üblicherweise vernünftige Renditen. Wer allerdings deutlich bessere Ergebnisse als der Durchschnitt anstrebt, muss dafür besonders viel Einsatz, Wissen und oft auch etwas Glück mitbringen.
- „Es hat sich die allgemeine Vorstellung entwickelt, dass die angestrebte Rendite mehr oder weniger proportional zum eingegangenen Risiko ist. Unsere Sichtweise ist jedoch eine andere: Die gewünschte Rendite sollte vielmehr davon abhängen, wie viel intelligenten Einsatz der Anleger bereit und fähig ist, aufzubringen.“
Interpretation: Im Gegensatz zum Sprichwort „Ohne Risiko kein Gewinn“ betont Graham die Bedeutung von Wissen, Sorgfalt und intensiver Analyse. Wer gründlich arbeitet, kann mitunter bessere Renditen erzielen, ohne zwangsläufig ein höheres Risiko eingehen zu müssen.
- „Einige Fragen von entscheidender Bedeutung, z. B. die Beurteilung der künftigen Aussichten eines Unternehmens, werden nur knapp behandelt, weil sich dazu kaum etwas von verbindlichem Wert sagen lässt.“
Interpretation: Graham betont hier die Grenzen von Prognosen. Zukünftige Entwicklungen sind oft nur schwer exakt vorherzusagen. Für ihn liegt der Fokus daher eher auf feststellbaren Fakten, wie aktueller Gewinn, Substanz, Cashflow oder Bilanzstruktur, anstatt allzu vage in die Zukunft zu spekulieren.
- „Analyse befasst sich in erster Linie mit Werten, die durch Fakten gestützt werden, und nicht mit solchen, die weitgehend auf Erwartungen beruhen.“
Interpretation: Graham unterstreicht, dass eine fundierte Analyse auf nachprüfbaren Informationen aufbauen sollte. Erwartungen und Hoffnungen können schnell zu überzogenen Kursen führen, wenn sie nicht durch harte Daten untermauert sind.
- „In unserer Börsenerfahrung und Beobachtung, die sich über 50 Jahre erstreckt, ist uns keine einzige Person begegnet, die durch das bloße Folgen des Marktes konsistent oder dauerhaft Geld verdient hat. Wir zögern nicht zu sagen, dass dieser Ansatz ebenso trügerisch wie beliebt ist.“
Interpretation: „Dem Markt hinterherlaufen“ (Market Timing, Herdenverhalten) funktioniert laut Graham nicht langfristig. Damit stellt er sich gegen die gängige Hoffnung, man könne den Markt einfach kopieren oder Trends vorhersehen und so dauerhaft profitieren. Stattdessen empfiehlt er solide Fundamentalanalyse.
- „Die grundlegenden Prinzipien solider Investitionen sollten sich nicht von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ändern. Aber die Anwendung dieser Prinzipien muss an wesentliche Veränderungen in den Finanzmechanismen und Rahmenbedingungen angepasst werden.“
Interpretation: Zeitlose Investmentgrundsätze (z. B. Margin of Safety, Substanzanalyse) bleiben immer gültig. Trotzdem muss man sie jeweils an die aktuellen Marktstrukturen, Regulierungen oder technische Fortschritte anpassen. Graham vertritt also eine Mischform aus Stabilität der Grundwerte und Flexibilität in der Umsetzung.
- „Offensichtliche Wachstumsaussichten eines Unternehmens bedeuten noch lange nicht offensichtliche Gewinne für die Anleger.“
Interpretation: Ein Unternehmen kann in puncto Umsatz oder Reichweite stark wachsen, aber das muss sich nicht zwangsläufig in steigenden Aktionärserträgen niederschlagen. Graham weist darauf hin, dass Wachstum auch Kosten verursachen kann oder nicht profitabel umgesetzt wird.
- „Wenn du Stammaktien kaufst, dann wähle sie so aus, wie du Lebensmittel einkaufen würdest – nicht wie Parfüm.“
Interpretation: Wer Lebensmittel kauft, achtet normalerweise auf Preis, Qualität und Nutzen. Bei Luxusartikeln (wie Parfüm) spielen oft Emotionen und Image eine größere Rolle. Übertragen auf Aktien bedeutet das: Investoren sollten pragmatisch und preisbewusst sein, statt sich von Markenhype oder emotionalem Glanz blenden zu lassen.
- „Der Preis [eines Wertpapiers] ist häufig ein entscheidender Faktor, sodass eine Aktie bei einem Preisniveau interessant sein kann, jedoch bei einem anderen nicht.“
Interpretation: Graham unterstreicht, dass es nicht nur darauf ankommt, welche Aktie man kauft, sondern zu welchem Preis man sie kauft. Ein solider Wert kann zu teuer sein und somit keine vernünftige Rendite mehr versprechen – oder zu einem günstigeren Kurs ein echtes Schnäppchen sein.
Schlusswort
Unter dem Strich ist die Graham-Zahl ein zeitloses Werkzeug aus der Schatzkiste des Value Investing. Sie dient dir als Orientierung, um schnell zu erkennen, wie hoch oder niedrig eine Aktie – gemessen an Gewinn und Buchwert – im Vergleich zum traditionell fairen Bereich notiert. Mit rund 22,5 als Multiplikator unterlegst du Grahams konservative Annahme: niemals ein KGV über 15 akzeptieren und niemals ein KBV über 1,5. Das Ganze ergibt eine hübsche Kennziffer, die (in Kombination mit anderen Analysen) ziemlich nützlich sein kann. Ist die Aktie weit unter diesem Ergebnis zu haben, freut sich der Value-Anleger. Ist sie weit drüber, könnte man entweder vorsichtig sein oder nach einem guten Grund für die hohe Bewertung suchen. So oder so: Die Graham-Zahl ist keine Allzweckwaffe und gehört in den größeren Werkzeugkasten deines Research-Prozesses. Aber wenn man sie richtig einsetzt, kann sie dich vor teuren Fehlgriffen bewahren – und das ist doch schon mal eine Menge wert.
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FAQ zur Graham-Zahl (Benjamin Graham Number)
1. Was genau ist die Graham-Zahl?
Die Graham-Zahl ist eine Kennziffer, die auf den Ideen des Value-Investing-Pioniers Benjamin Graham basiert. Sie gibt den maximalen Preis an, den man für eine Aktie zahlen sollte, um noch eine angemessene Sicherheitsmarge („Margin of Safety“) zu haben. Grundlage dafür sind zwei einfache Kennzahlen: der Gewinn je Aktie (EPS) und der Buchwert je Aktie (BVPS).
2. Wie berechne ich die Graham-Zahl?
Die Berechnung erfolgt mit der Formel:
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- EPS: Gewinn je Aktie.
- BVPS: Buchwert je Aktie, also der Eigenkapitalanteil pro Aktie.
- 22,5: Konstante, die sich aus einem maximalen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 und einem maximalen Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,5 ergibt.
3. Wo finde ich EPS und BVPS, um die Graham-Zahl selbst zu berechnen?
EPS und BVPS stehen meist im Geschäftsbericht (Annual Report) des jeweiligen Unternehmens oder in der Quartalsberichterstattung (Quarterly Reports). Alternativ bieten viele Finanzwebsites und -tools (z. B. InvestingPro) diese Daten kostenfrei oder als Teil eines Abos an.
4. Warum ist die Graham-Zahl so wichtig für Value-Investoren?
Value-Investoren suchen gezielt nach Aktien, die unter ihrem „inneren Wert“ gehandelt werden. Die Graham-Zahl ist ein Schnelltest, um genau solche unterbewerteten Titel zu identifizieren. Liegt der Börsenkurs deutlich unter der Graham-Zahl, könnte das auf einen echten „Schnäppchenpreis“ hindeuten – natürlich immer vorausgesetzt, das Unternehmen hat solide Fundamentaldaten.
5. Kann ich die Graham-Zahl auch für Tech- und Wachstumsaktien nutzen?
Grundsätzlich ja, aber mit Einschränkungen. Die Graham-Zahl ist auf Unternehmen mit stabilen und relativ leicht prognostizierbaren Erträgen (z. B. Industrie, Versorger, Banken) zugeschnitten. Bei Wachstumsfirmen aus dem Tech-Bereich können die niedrigen Buchwerte und schwankenden Gewinne die Aussagekraft stark einschränken. Hier sind oft andere Bewertungsmethoden (etwa Discounted Cashflow) genauer.
6. Was mache ich, wenn der Aktienkurs unter der Graham-Zahl liegt?
Wenn der Kurs deutlich unter dieser Kennzahl liegt, deutet das auf ein mögliches Value-Schnäppchen hin. Es lohnt sich aber, weitere Checks durchzuführen (z. B. Geschäftsmodell, Marktentwicklung, Wettbewerbsstärke), um sicherzugehen, dass die niedrige Bewertung gerechtfertigt ist und nicht auf fundamentale Probleme hinweist.
7. Was passiert, wenn der Aktienkurs über der Graham-Zahl liegt?
Liegt der aktuelle Kurs über der Graham-Zahl, könnte die Aktie gemäß Grahams konservativem Ansatz überbewertet sein. Das heißt natürlich nicht, dass der Kurs nicht weiter steigen kann, doch man hat weniger Puffer nach unten. Im Sinne der Sicherheit würde Graham eher davon abraten, deutlich oberhalb der errechneten Zahl zu kaufen.
8. Wie verlässlich ist die Graham-Zahl in turbulenten Märkten?
Sie kann einen ersten Anhaltspunkt liefern, ob ein Wertpapier günstig ist oder nicht. In turbulenten Märkten können starke Kursschwankungen und kurzfristige Veränderungen im Gewinn je Aktie (EPS) die Graham-Zahl verzerren. Daher solltest du die Kennzahl regelmäßig aktualisieren und nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage nutzen.
9. Kann ich mit der Graham-Zahl jedes Verlustrisiko ausschließen?
Nein. Jede Kennzahl ist nur so gut wie die Qualität der Daten und Annahmen dahinter. Ein solides Screening mit der Graham-Zahl senkt zwar das Risiko, massiv überteuerte Aktien zu kaufen, ist aber kein 100-prozentiger Garant gegen Kursverluste. Deshalb empfiehlt es sich immer, ergänzende Analysen (z. B. Wettbewerbsumfeld, Cashflow-Berechnungen) einzubeziehen.
10. Passt die Graham-Zahl auch in eine langfristige Anlagestrategie?
Absolut. Da Value-Investing im Kern eine langfristige Strategie ist, bei der man unterbewertete Aktien kauft und Geduld mitbringt, ist die Graham-Zahl ein hilfreiches Werkzeug. Sie sorgt für Disziplin und bewahrt dich davor, auf „Hype-Aktien“ zu setzen, die womöglich nur kurzfristige Gewinnchancen versprechen.
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