Investing.com - Die Talfahrt der US-Börsen (ETR:SXR4) kam Anfang Oktober zum Stillstand, und auch die 10-jährigen US-Renditen stoppten ihren Höhenflug bei knapp unter 5 %. Doch die Strategen von Barclays (LON:BARC) warnen, dass der Ausverkauf am Bondmarkt jederzeit weitergehen und die Aktienmärkte weiter nach unten ziehen könnte. "Wir sehen keinen klaren Katalysator, der den Aderlass stoppen könnte", schreibt Ajay Rajadhyaksha, Managing Director und Head of Rates and Securitised Products Research bei Barclays, in einer Kundenmitteilung.
Die Experten der britischen Großbank halten an ihrer Einschätzung fest, dass die Fed mindestens noch einmal die Zinsen anheben wird, wovon der Markt derzeit nicht ausgeht. Entsprechend sind sie der Überzeugung, dass die Bondmärkte für 2024 viel zu viele Zinssenkungen vorwegnehmen. Die Zinsstrategen der Bank raten ihren Kunden daher immer wieder, bei Anleihen short zu bleiben.
Rajadhyaksha hebt zwei Schlüsselfaktoren hervor, die seiner Meinung nach die Talfahrt der Kurse von US-Staatsanleihen erklären: 1) die von der US-Notenbank ausgegebene Devise "Higher for longer" und 2) die steigenden Laufzeitprämien aufgrund der sich verschlechternden Haushaltslage in den USA.
Dass die Fed den Bondmarkt zu Hilfe eilen wird, glaubt der Stratege nicht. "Unserer Meinung nach ist es unwahrscheinlich, dass die Fed die quantitative Straffung plötzlich beendet, und noch unwahrscheinlicher, dass sie die quantitative Lockerung wieder aufnimmt. Das wäre auch kontraproduktiv. Die Geldpolitik würde plötzlich viel weniger restriktiv, während die Wirtschaft immer noch über dem Trend wächst und die Inflation weit von 2 % entfernt ist - ein Rezept für höhere Renditen", so Rajadhyaksha weiter. "Die einzige Möglichkeit, wie die Fed helfen könnte, bestünde darin, die Zinsen so aggressiv zu erhöhen, dass die Märkte davon überzeugt sind, dass eine Rezession bevorsteht, und sich die Händler dann auf längere Laufzeiten stürzen. Aber auch das ist höchst unwahrscheinlich. Die Fed wird wahrscheinlich einfach ihren Kurs beibehalten."
Ein Umfeld, in dem die Hypothekenzinsen bei fast 8 % und die Langläufer bei fast 5 % rentieren, könnte die Wirtschaft deutlich schwächen und damit den Anleihemarkt entlasten, allerdings, so Rajadhyaksha, "nicht schnell genug". Per Saldo glaubt er, dass dem Bondmarkt derzeit nur eine scharfe Korrektur bei Risikoanlagen helfen könnte. Das Ausmaß des Abverkaufs bei Anleihen sei so dramatisch, dass Aktien aus Bewertungssicht nun wahrscheinlich teurer seien als noch vor einem Monat. "Wenn Risikoanlagen in den kommenden Wochen stark fallen, dürften Anleihen vom Portfolioeffekt profitieren", meint der Stratege.
Die Aktienstrategen von Barclays argumentieren schon seit geraumer Zeit, dass der faire Wert des S&P 500 Index unter dem aktuellen Kurs liegt. Ihre Einschätzung stammt aus einer Zeit, als die Anleiherenditen noch niedriger waren. Daraus lässt sich ableiten, dass die Aktienmärkte durchaus noch Spielraum nach unten hätten, um sich den aktuellen Marktbedingungen anzupassen.
"Wir glauben, dass der Weg zu einer Stabilisierung der Anleihekurse letztlich über eine weitere Neubewertung der Risikoanlagen nach unten führt. Andernfalls wird es keine nachhaltige Stabilisierung am Bondmarkt geben, und angesichts der Tatsache, dass Risikoanlagen letztlich auf Anleihen reagieren, wird es auch keine Stabilisierung bei Risikoanlagen geben. Ergo sehen wir bei Aktien noch erheblichen Spielraum nach unten, bevor sich die Kurse von Anleihen stabilisieren", resümierte Rajadhyaksha.