Stell dir vor, du investierst dein Geld in ein Projekt und möchtest am Ende natürlich wissen, ob sich das Ganze gelohnt hat. Das Unternehmen, in das du investiert hast, tut im Prinzip dasselbe: Es nimmt Geld von Aktionären (Eigenkapital) und Kreditgebern (Fremdkapital), steckt es in sein Kerngeschäft und will damit Gewinne erzielen. Der Return on Invested Capital (ROIC) zeigt dir, wie gut das Unternehmen tatsächlich mit diesem investierten Kapital arbeitet und ob am Ende eine gesunde Rendite dabei herausspringt.
Warum ist der ROIC so wichtig?
Effizienz-Indikator
Über den ROIC erkennst du, ob das Management die zur Verfügung stehenden Mittel (also die Investitionen von Aktionären und Banken) sinnvoll einsetzt oder nicht. Ein hoher Wert zeigt, dass sie effizient wirtschaften und die Projekte oder Produkte ausreichend Profit abwerfen.
Mehrwert schaffen
Wenn ein Unternehmen einen hohen ROIC hat, liegt dieser oft über den Finanzierungskosten, also über dem, was es kostet, Fremd- und Eigenkapital zu beschaffen. Man nennt das auch Kapitalkosten. Falls der ROIC zum Beispiel 12 % und die Kapitalkosten 8 % betragen, bleibt ein „Puffer“ von 4 %, den das Unternehmen quasi „zusätzlich“ erwirtschaftet. Das ist für Investoren natürlich hochinteressant, weil es auf ein profitables Geschäftsmodell hindeutet.
Wettbewerbsvorteil
Unternehmen mit dauerhaft hohem ROIC haben oft starke Marken, Patente oder andere Wettbewerbsvorteile. Das hilft ihnen, langfristig erfolgreich zu sein, weil ihnen die Konkurrenz nicht so einfach das Wasser abgraben kann.
Blick auf die Gesamtkapitalstruktur
Viele Leute kennen Return on Equity (ROE) oder Return on Assets (ROA). Beide Kennzahlen sind wichtig, aber ROIC geht noch einen Schritt weiter, weil hier sowohl Eigenkapital als auch Fremdkapital berücksichtigt wird. Damit siehst du das „große Ganze“, wenn es um die Finanzierung und Rendite eines Unternehmens geht.
Wie berechnet man den ROIC?
Die Grundformel sieht so aus:
ROIC = NOPAT / Invested Capital
Schritt 1: NOPAT berechnen
- NOPAT steht für Net Operating Profit After Taxes (also der Gewinn aus dem Kerngeschäft nach Steuern).
- Häufig wird der NOPAT so kalkuliert: NOPAT = EBIT × (1 – Steuersatz)
- EBIT bedeutet „Gewinn vor Zinsen und Steuern“ (Earnings Before Interest and Taxes). Damit werden bereits sämtliche operativen Kosten abgedeckt, jedoch ohne Zinsen und Steuern.
Schritt 2: Invested Capital ermitteln
- Das investierte Kapital (Invested Capital) umfasst sowohl das Eigenkapital (Geld der Aktionäre) als auch das verzinsliche Fremdkapital (z. B. Anleihen, Bankkredite).
- Von diesem Gesamtbetrag kannst du noch nicht betriebsnotwendige Assets abziehen, beispielsweise zu viel Cash, das nicht im operativen Geschäft eingesetzt wird. Übrig bleibt das Kapital, das tatsächlich in Produktion, Vertrieb, Forschung usw. fließt.
Beispiel für ein klares Bild
Angenommen, ein Unternehmen hat pro Jahr 500.000 Euro NOPAT und 5 Millionen Euro investiertes Kapital. Dann sähe die Berechnung folgendermaßen aus:
ROIC = 500.000 € / 5.000.000 € = 0,10 = 10 %
Liegt die Kapitalverzinsung (z. B. als WACC – Weighted Average Cost of Capital) für dieses Unternehmen bei 8 %, dann erwirtschaftet es 2 % mehr, als es an Zinsen und Renditeerwartungen zahlen muss. Das ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass das Geld der Kreditgeber und Investoren nicht nur einfach im Kreis rotiert, sondern echten Mehrwert schafft.
Wann ist ein ROIC „gut“?
Grundsätzlich sollte der ROIC höher als die Kapitalkosten sein. Nur so entsteht ein Wertzuwachs, und nur so lohnt sich das Investieren für Aktionäre und Kreditgeber.
Das hängt allerdings auch stark von der Branche ab. Ein Pharmakonzern mit geschützten Medikamenten kann beispielsweise einen höheren ROIC erzielen als ein Unternehmen in der Rohstoffindustrie, wo die Margen oft niedriger sind.
Nachhaltig ist das Zauberwort: Ein einmalig hoher ROIC sagt wenig aus. Wenn das Unternehmen aber über mehrere Jahre hinweg überdurchschnittliche Werte erzielt, scheint da eine echte Struktur oder Strategie dahinterzustecken, die profitabel ist.
Was du noch wissen solltest
ROIC und Unternehmensstrategie
Unternehmen, die ihren ROIC steigern möchten, können das auf zwei Wegen tun:
- NOPAT erhöhen: durch Kostensenkungen, Preiserhöhungen, effizientere Prozesse, Innovationskraft etc.
- Investiertes Kapital reduzieren: indem unrentable Geschäftszweige verkauft oder Outsourcing betrieben wird, wenn es sich rechnet.
Vergleich mit Konkurrenten
Der ROIC ist supernützlich, wenn du zwei Unternehmen aus derselben Branche miteinander vergleichen willst. So findest du heraus, welches Unternehmen mit jedem investierten Euro besser wirtschaftet. Manchmal sind Unternehmen mit dem höchsten Marktanteil nicht unbedingt die profitabelsten.
Vorsicht bei fehlender Granularität
Wenn ein großer Konzern viele unterschiedliche Geschäftsbereiche hat, siehst du mit dem ROIC nicht unbedingt, welche Sparte besonders erfolgreich ist. Da lohnt sich ein Blick in Geschäftsberichte und Segmentaufstellungen.
Accounting kann verwirren
Der ROIC kann durch unterschiedliche Rechnungslegungsmethoden (z. B. IFRS, US-GAAP) und einmalige Effekte (z. B. Abschreibungen auf bestimmte Posten) teils verzerrt sein. Deshalb ist ein Blick auf mehrere Jahre oder auf bereinigte Zahlen oft sinnvoller als die reine Momentaufnahme.
Kombination mit anderen Kennzahlen
Zwar liefert der ROIC ein ganzheitliches Bild, doch auch er ist kein Allheilmittel. Ergänze ihn durch Kennzahlen wie den Free Cashflow, um zu sehen, ob das Unternehmen sein Geld wirklich flüssig zur Verfügung hat. Und schau dir auch qualitative Faktoren wie Innovationskraft, Konkurrenzdruck oder Managementqualität an.
Grenzen und mögliche Tücken
Kurzfristige Verzerrungen: Große Investitionen in Forschung & Entwicklung oder Marketing können den NOPAT kurzfristig senken, was den ROIC drückt. Längerfristig können sich diese Ausgaben aber auszahlen.
Einmalige Effekte: Verkauf eines Geschäftsbereichs, juristische Strafen oder außergewöhnliche Gewinne können das Ergebnis verfälschen.
Keine Garantie für Zukunft: Ein hoher ROIC heute heißt nicht automatisch, dass das Unternehmen ihn auch halten kann. Neue Wettbewerber, sich verändernde Technologien oder regulatorische Hürden können die Profitabilität schnell beeinflussen.
ROIC in Aktion: Wo finde ich verlässliche Daten?
Wenn du dich nicht durch Geschäftsberichte wühlen möchtest, kannst du auf Finanzportale und Analyse-Plattformen wie InvestingPro zurückgreifen. Dort bekommst du einen schnellen Überblick über den ROIC eines Unternehmens und siehst direkt, wie es im Vergleich zu anderen Firmen derselben Branche dasteht.
Tipp: InvestingPro bietet dir:
- Sofortiger Zugang zu ROIC-Daten für Tausende Unternehmen
- Über 1.200 weitere Kennzahlen, z. B. zum Cashflow oder zur Bilanzqualität
- Branchen- und Wettbewerbsvergleiche
- 14+ Modelle zur Unternehmensbewertung
Häufige Fragen zum ROIC
1. Worin liegt der Unterschied zwischen ROIC und ROE (Return on Equity)?
ROE betrachtet nur das Eigenkapital (also das Geld der Aktionäre). ROIC ist umfassender, weil er auch Fremdkapital einschließt. So bekommst du ein runderes Bild der Kapitalrentabilität.
2. Warum ist ein ROIC, der über den Kapitalkosten liegt, so wichtig?
Weil das bedeutet, dass das Unternehmen mehr Rendite erzeugt, als es kostet, das Geld zu beschaffen. Nur dann entsteht echter Wert für Aktionäre und Gläubiger.
3. Kann der ROIC negativ sein?
Ja, wenn das Unternehmen Verluste (also negativen NOPAT) schreibt, ist die Rendite auf das investierte Kapital ebenfalls negativ. Das ist ein eindeutiges Warnsignal.
4. Wie oft sollte man den ROIC prüfen?
In der Regel jedes Quartal, wenn die Zahlen veröffentlicht werden. Am aussagekräftigsten ist ein längerfristiger Trend über mehrere Jahre, um zu sehen, wie stabil oder wachstumsfähig das Geschäftsmodell ist.
5. Wie kann ein Unternehmen seinen ROIC verbessern?
Entweder indem es seine Gewinne steigert (z. B. Kosten senkt, Preise erhöht, mehr verkauft) oder indem es sein investiertes Kapital reduziert (z. B. weniger Lagerhaltung, Verkauf unprofitabler Geschäftszweige).
Schlusswort
Der Return on Invested Capital (ROIC) ist eine der besten Kenngrößen, um zu verstehen, wie gut ein Unternehmen wirklich wirtschaftet. Er zeigt dir, ob jeder investierte Euro rentabel eingesetzt wird und wie hoch die Rendite nach Abzug der Steuern ist. Dabei bezieht der ROIC sowohl Eigen- als auch Fremdkapital in die Betrachtung ein und liefert damit ein umfassendes Bild.
Denke jedoch immer daran, dass der ROIC kein Einzelheld sein sollte: Schau dir auch andere Kennzahlen an, lies die Unternehmensnachrichten und hinterfrage langfristige Trends und Strategien. So verstehst du am Ende, ob dein investiertes Geld wirklich in die richtigen Hände fließt.